BERLIN (BLK) – Die „FAZ“ bespricht Siri Hustvedts Roman „Die Leiden eines Amerikaners“ und den Lyrikband „Ich hab so Sehnsucht nach Gewalt“ von Sigi Hirsch. Die „SZ“ behandelt Les Murrays Gedichtband „Übersetzungen aus der Natur“ und den Roman „Der Ruinenwächter von Havanna“ von António José Ponte.
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“
Die „FAZ“ bespricht Siri Hustvedts Roman „Die Leiden eines Amerikaners“. Bereits der Titel des Buches suggeriere, dass die Autorin hier „das Private zum allgemeinen Belang“ mache, meint Rezensentin Anja Hirsch. Wie auch in ihren Vorgängerwerken generiere sich die Handlung des Romans aus einem Rätsel, welches allenfalls eine ominöse „dunkle Spur“ als Lösungsansatz biete. Im Mittelpunkt stehe dabei das psychologische Moment, das die Dialoge insgesamt zu einem fesselnden „Dauergespräch“ werden lasse. Mit „Die Leiden eines Amerikaners“ habe Hustvedt einen „komplexen, federleicht erzählten Roman“ vorgelegt, findet Hirsch.
Steffen Gnam rezensiert für die „FAZ“ die Neuausgabe des Erzählungsbandes „Gefahr und Begierde“ von Eileen Chang (1920-1995). Die Geschichten der „melancholischen Chronistin der chinesischen Moderne“ spielen vor allem in den – zu der Zeit unter japanischer Besatzung stehenden – Städten Schanghai und Hongkong der 1940er- Jahre. Die Autorin zeichne mit ihren „verstörenden Psychogrammen“ die Lebensbedingungen der von der Fremdherrschaft bestimmten Einwohner anschaulich nach. In „stimmungsvollen Weltstillstandstudien“ evoziere sie Analogien zu – auf den ersten Blick so verschieden wirkende – Themen wie „Geschlechterkampf und Krieg“ oder auch „Besatzung und erotische Abhängigkeit“, schreibt Gnam.
Der Lyrikband „Ich hab so Sehnsucht nach Gewalt“ des „Gebrauchspoeten“ Sigi Hirsch sei vordergründig ein Abgesang auf die sonntäglich hervorgerufene Langeweile, welche den Äußerungen „neunmalkluger Tatort-Kommissare“ geschuldet sei, berichtet die „FAZ“. „Blutig und absurd“ und oftmals auch „alkoholisch heiter“ seien die Gedichte im Einzelnen. Die Tiefe der Verse liege jedoch in der Kombination von subtilem Humor mit diversen Klischees aus der Welt der Kriminalität. Zudem fehle es dem Dichter keineswegs an „Sprachwitz“, welcher in dem schmalen Buch „Amok“ laufe.
„Mit archaischen Bildern“ erzähle der gebürtige Sarde Salvatore Niffoi in seinem gleichnamigen Roman „Die Legende von Redenta Tiria“, teilt die „FAZ“ mit. Die Story sei von bildgewaltigen, „fast schon zu plastischen Vergleichen“ dominiert und die Handlungsfolge schnell zusammengefasst; in 12 Kapiteln lasse der Autor seine Figuren „in den Freitod gehen“, ab dem 13. Kapitel werden die potentiellen Selbstmörder jedoch von der „blinden Lichtgestalt Redenta Tiria“ gerettet. Obwohl die Handlung allzu konstruiert wirke, könne man dem Buch dennoch den gut gemeinten Versuch, die Geschichte einer Legende in die Jetztzeit zu verlegen, anrechnen, meint die „FAZ“.
„Süddeutsche Zeitung“
Paul-Philipp Hanske bespricht Slavoj Zizeks „Lacan. Eine Einführung“ für die „SZ“. Viele Exempel seien hier schon aus alten Zizek-Büchern bekannt, denn dieser beschäftige sich in fast allen seinen Werken mit Lacan. Der Autor vereinfache hier die Begrifflichkeit des Philosophen, scheue jedoch die „wirklich haarigen Begriffe“. Aus diesem Grund rät der Rezensent für eine ernsthafte Einarbeitung zu Werken von Dylan Evan oder Malcom Bowie. Bei Zizeks Buch handle es sich eher um „eine Einführung in Zizeks-Lacan-Adaptation“, jedoch schaffe er es, die Theorie mit Leben zu füllen und sie brauchbar zu machen. Dieses Sachbuch trage nach Meinung des Rezensenten aber nicht zur seriösen Anerkennung Lacans bei.
António José Pontes Roman „Der Ruinenwächter von Havanna“ wird von Hans-Peter Kunisch in der „SZ“ als „ein Buch des Abschieds“, aber auch als ein „Erinnerungsbuch“ betitelt. Der Autor erzähle vom Altern auf Kuba und somit die Geschichte seiner Oma und einer Tante eines Bekannten, die sich beide nicht mit dem Castro-Regime abfinden konnten. Sie verließen das Haus nicht mehr oder verbannten den Führer ganz aus ihrem Leben. Ponte berichtet aber auch über Altenpflege. So taste sich der Autor langsam an sein Thema, „das Altern der Stadt“ heran, welches in Havanna Zerfall bedeute. Die Ruine, die als Zwischenstation fungiere, übe eine seltsame Faszination auf Ponte aus. Sein Roman sei jedoch nicht elegisch, seine Stimmung „habe mehr mit Wut zu tun“, denn in ihm werden das Regime und seine Kollaborierenden böse karikiert, erkennt der Rezensent.
Les Murrays Gedichtband „Übersetzungen aus der Natur“ sei äußerst lebendig, berichtet Tobias Lehmkuhl in der „SZ“. Es ist der zweite Murray-Band in der, von seiner Übersetzerin Margitt Lehmkuhl gegründeten, Edition Rugerup. Zusätzlich liege auch eine CD vor, auf der der Dichter die englischen Originale spreche, so ließen sich seine „Sprachexplosionen“ besser nachvollziehen. Die Übersetzung sei jedoch durchaus gelungen. „Voll schillernder Rhythmen und wabernder Klanggewitter“ sei diesem Gedichtband „eine archaische Kraft“ eigen. So würden jene Wesen eine Gestalt erhalten, die sonst keine Sprache haben. Murrays Gedichte würden den Leser „ein Stück weit hinab auf den Grund des Seins“ führen, lobt der Rezensent. (car/dan/mik)
Literaturangaben:
CHANG, EILEEN: Gefahr und Begierde. Erzählungen. Aus dem Chinesischen von Susanne Hornfeck, Wang Jue und Wolf Baus. Mit einem Nachwort von Susanne Hornfeck. Claassen Velag, Berlin 2008. 256 S., gebunden, 18 €.
HIRSCH, SIGI: Ich hab so Sehnsucht nach Gewalt. Kriminelle Gedichte und Geschichten. Verlag Peter Hellmund, Würzburg 2008. 72 S., broschiert, 8,90 €.
HUSTVEDT, SIRI: Die Leiden eines Amerikaners. Roman. Aus dem Amerikanischen von Uli Aumüller und Gertraude Krueger. Rowohlt Verlag, Reinbek 2008. 410 S., gebunden, 19,90 €.
MURRAY, LES: Übersetzungen aus der Natur. Gedichte. Deutsch und Englisch. Übersetzt von Margitt Lehbert. Edition Rugerup, Hörby/Schweden 2007. 90 S., 17,90 €. Mit CD 29,90 €.
NIFFOI, SALVATORE: Die Legende von Redenta Tiria. Roman. Aus dem Italienischen von Sigrid Vagt. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2008. 170 S., gebunden, 17,90 €.
PONTE, ANTÓNIO JOSÉ: Der Ruinenwächter von Havanna. Aus dem Spanischen von Susanne Giersberg. Verlag Antje Kunstmann, München 2008. 234 S., 19,90 €.
ZIZEK, SLAVOJ: Lacan. Eine Einführung. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 176 S., 11,95 €.
Presseschau vom 3. April 2008
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