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Letzten Endes

In Ronald F. Curris’ neuem Roman ist die Welt dem Ende nahe

© Die Berliner Literaturkritik, 09.11.09

MÜNCHEN (BLK) – „Everthing matters“ ist im September 2009 beim Goldmann Verlag erschienen. Eva Kemper übersetzte den Roman aus dem Amerikanischen, der nun unter dem Titel „Letzten Endes“ im Handel erhältlich ist.

Klappentext: Stell dir vor, die Welt geht in 36 Jahren, 168 Tagen, 14 Stunden und 23 Sekunden unter – und du bist der Einzige, der davon weiß … Junior Thibodeau ist das Glück oder der Fluch beschert, mehr zu wissen als seine Mitmenschen, und das schon im Mutterleib. Denn da sind Stimmen in seinem Kopf, die er nicht abschalten kann. Stimmen, die ihm nicht nur die Welt erklären, sondern ihm auch deren sicheren Untergang am 15. Juni 2010 um 15:44 Uhr Ostküstenzeit verkünden. Ein Dilemma, denn wie geht man damit um, wenn man schon bei seiner Geburt weiß, dass in nicht allzu ferner Zukunft alles ausgelöscht sein wird? Und was zählt überhaupt, wenn das Ende naht? Lohnt es sich, sich einzulassen – auf Dinge, Menschen und Zukunftspläne? Mit diesen Fragen wird Junior allein gelassen und eine mögliche Antwort findet er erst, als Amy in sein Leben tritt und er sich Hals über Kopf in sie verliebt.

Vom Tellerwäscher zum Millionär. So oder ähnlich könnte zumindest der Titel zu Ronald F. Curris’ Leben lauten. Schließlich hat er bereits sein zweites Buch veröffentlicht, das in aller Munde ist. Doch bis es dazu kam musste sich der 1975 in Maine Geborene mit Aushilfsjobs über Wasser halten. Nachdem er sein Studium abgebrochen hatte, um sich ganz dem Schreiben zu widmen, arbeitete er unter anderem als Koch in Schnellrestaurants. Währenddessen publizierte er mehrere Kurzgeschichten in diversen Zeitschriften wie „The Sun“ oder „Other Voices“. (ros)

Leseprobe:

©Goldmann Verlag©

In Utero; frühe Kindheit. Zunächst einmal: Genieße diese Zeit! Nie wieder wirst du so wenig Verantwortung für dein Überleben tragen. Bald wirst du Nahrung zu dir nehmen und das Verdaute ausscheiden müssen. Du wirst lernen müssen, zwischen Tag und Nacht zu unterscheiden und durchzuschlafen. Du wirst die Muskeln stärken müssen, die du brauchst, um über längere Zeit laut zu schreien. Du wirst das unwillkürliche Gurren und die Mimik beherrschen müssen, die Säuglinge so niedlich machen, damit diejenigen, deren Obhut du anvertraut bist, dich weiter mit Nahrung und sauberem Bettzeug versorgen. Du wirst deine Arme und Beine strecken müssen, den Kopf rollen, um deinen Nacken zu kräftigen, krabbeln, dich wacklig auf die Füße ziehen und schließlich laufen lernen müssen. Wenig später wirst du rennen, teilen, einen Baseballschläger schwingen und einen Stift halten lernen, lieben, weinen, lesen, dir die Schuhe binden, baden und sterben. Es gibt viel zu lernen und zu tun und nur wenig Zeit; sagen wir einfach, dass du dir über die schwierigen Zeiten, die kommen werden, im Klaren sein solltest, damit du den mühelosen, schwebenden Traum der Schwangerschaft zu würdigen weißt. Und zwar jetzt und nicht erst später. Im Augenblick besteht deine Aufgabe einzig darin zu wachsen. Es gibt allerdings etwas, was dieses Wachstum entscheidend erschwert. Vielleicht hast du schon bemerkt, dass du dir den Mutterleib mit anderen Dingen teilst. Das Auffallendste und Wichtigste ist das fleischige Seil an deinem Bauch, das Nabelschnur genannt wird. Von ihr hängt buchstäblich dein Leben ab, sie versorgt dich mit Blut, Nährstoffen, lebenswichtigen Antikörpern und anderen Dingen. Schon jetzt hat sie sich zweimal um deinen Hals gewickelt, und obwohl dir das nicht besonders bedrohlich oder abträglich erscheint, solange du nicht atmest, könnte es deinen Eintritt in diese Welt gefährden. Wir wollen dir nichts vormachen - es könnte dich töten. Aber bleib ruhig. Du solltest dich einfach während der restlichen Schwangerschaft so wenig wie möglich bewegen. Das ändert zwar nichts an den Schlingen, die schon jetzt deinen Hals einschnüren, aber es wird ein weiteres Aufwickeln oder andere Komplikationen weitgehend vermeiden - Vasa-Previa-Blutungen, Knoten, Zysten, Hämatome. Allein genommen ist keines dieser Probleme besonders gefährlich, doch zwei oder mehr zusammen können ernste Schwierigkeiten bedeuten. Deshalb solltest du stets wachsam den vielen Versuchungen widerstehen, dich zu bewegen. Natürlich fänden es viele Menschen unfair, einen Fötus zu bitten, seinen Bewegungsdrang einzuschränken. Allerdings würdest du gut daran tun, Menschen aus dem Weg zu gehen, die sich über mangelnde Fairness im Leben beklagen. Übe dich stattdessen lieber von Anfang an in Selbstbeherrschung. Licht und Geräusche bilden für deinen Beschluss, dich nicht zu bewegen, die größte Herausforderung. Sie dringen durch die Bauchdecke deiner Mutter zu dir, und du verspürst den Impuls, dich ihnen zu nähern, das Bad aus Fruchtwasser mit winzigen Fingern und Zehen aufzuwühlen, um die Wärme des Sonnenlichts aufzunehmen oder Carly Simon trällern zu hören. Der Drang, dich zu bewegen, ist natürlich und verständlich. Wie in deinem ganzen Leben, wie lang oder kurz es auch sein mag, liegt die Entscheidung am Ende bei dir. Denk nur daran, dass beinahe jede Entscheidung Konsequenzen nach sich zieht und dass die Konsequenzen in diesem Fall wahrscheinlich recht schwerwiegend wären.

©Goldmann Verlag©

Literaturangabe:

CURRIE, RONALD F.: Letzten Endes. Goldmann Verlag, München 2009. 416 S., 19,95 €.

Weblink:

Goldmann Verlag


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