BERLIN (BLK) – Die „FAZ“ bespricht Isabel Allendes neuen Roman „Inés meines Herzens“, die „SZ“ rezensiert Barbara Köhlers Gedichtband „Niemands Frau“. Die „NZZ“ widmet sich neuen Hörbüchern von Joseph Roth (1894-1939) und Günter Eich (1907-1972), während „Die Zeit“ von Stephen Kinzers „Putsch!“ berichtet.
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“
Die „FAZ“ bespricht die Erstveröffentlichung einer Auswahl von Hans Siemsens (1891-1969) Zeitungsartikeln, die er in den Jahren zwischen 1919 und 1932 verfasst habe. Der Fokus der Berichte des „Literaten und Texters von Charlie Chaplin“ sei stets auf die Verhältnisse in der „Weimarer Kulturwelt“ gerichtet. Siemsen vermöge es, den Zeitgeist der 1920er Jahre in all seinen „Facetten und stets im Plauderton“ wiederzugeben, ohne jedoch oberflächlich zu wirken. Der Herausgeber Dieter Sudhoff wecke mit seiner Auswahl „dieser literarischen Zeitungsartikel“ die Neugier auf das noch unveröffentlichte „kritische Werk“ des Autors, meint die „FAZ“.
Mit Isabel Allendes neuem Roman „Inés meines Herzens“ beschäftigt sich die „FAZ“. Das neue Werk der Autorin sei zwar nicht das „große Buch“, besteche jedoch vor allem durch die „Schönheit“ der Sprache, befindet der Rezensent Walter Haubrich. Den Topos des Romans bilde „die Geschichte der spanischen Eroberung Chiles“, wobei die in den Text eingeflochtene„Liebesgeschichte“ zugunsten der „historischen Ereignisse“ eher in den Hintergrund rücke. Allende verschweige bezüglich der in den Kämpfen zwischen Einheimischen und Invasoren herrschenden Brutalität nichts. Im Gegenteil zeige sie die „Grausamkeit auf beiden Seiten“ auf und verkneife sich somit die – ihre früheren Werke oftmals dominierenden – „Sentimentalitäten“, schreibt Haubrich.
Brian Wansinks Sachbuch „Essen ohne Sinn und Verstand“ mache Appetit auf mehr, bemerkt Rezensentin Anne Bogdanski. Der Autor, Professor für Marketing und Ernährungswissenschaften an der Cornell University, appelliere in seinem „etwas anderes Diätbuch“ an den Verstand der Leser, befindet Bogdanski weiter. Wansink beschreibe Wege, mit Vernunft und Freude „spielend leicht“ abzunehmen. Das Buch liefere viele interessante Fakten rund um das Thema Abnehmen und die diversen psychologischen Studien sind laut Bogdanski humorvoll vorgestellt. Wansink nutze jedoch recht häufig die wissenschaftliche Primärliteratur, die keine „leichte Kost“ sei.
Nicht nur überflüssig, sondern auch ärgerlich sei Richard David Prechts Buch „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ schreibt Gustav Falke für die „FAZ“. Der Philosoph wolle eine „befriedigende Einführung in die Philosophie“ liefern. Er hofft laut Falke, ein Buch geschrieben zu haben, „das Lust am Denken weckt und trainiert“. Precht nehme jedoch keine einzige klare Position zum „Warum“ des Lebens ein, benutze biologische Forschungen, um ethische Fragen nicht „wegzuschieben“, ihnen aber das Unbedingte „und damit ihren Ernst zu nehmen“. Precht überfordere mit seinem Werk weder den Leser noch sich selbst, bemerkt der Rezensent.
„Neue Zürcher Zeitung“
Die „NZZ“ begrüßt die Tatsache, dass das Hörspiel „Träume“ von Günter Eich endlich in einer „wohlkommentierten Edition“ zugänglich ist. Hinter den fünf grausigen Szenen, die allesamt in „alternativloser Albtraumlogik“ auf die Katastrophe zusteuerten, ließen sich Motive wie „Deportation, Unterwanderung und Aushöhlung des Humanen“ ausmachen. Das „mittlerweile berühmteste aller deutschen Hörspiele“ verfehle in der präzisen Inszenierung von Fritz Schröder-Jahn auch nach über 50 Jahren nicht seine Wirkung. Von bösen Träumen spräche außerdem die von Waltraud Brückner zusammengestellte Gedichtsammlung „aus fünf Jahrzehnten Eichscher Poesie“. Das Hörbuch wird gelesen von Christian Brückner, der allerdings ein „gar zu dynamischer Rezitator“ der lakonischen Gedichte sei, meint die „NZZ“.
Drei neue Sachbücher erörtern die politischen Probleme Italiens, meldet die „NZZ“. In „La rana cinese“ lege Riccardo Illy „wie ein guter pater familias“ seinen Landsleuten die Stärken und Schwächen der eigenen Nation vor Augen. Der italienische Journalist Luca Ricolfi beschäftige sich in seinem aus 62 Leitartikeln bestehenden Sammelband „L’arte del non governo“ indes mit der Frage, „warum es in Italien nicht vorwärtsgeht“. Er mache Blockade und Korruption der linken und rechten Lager für den politischen Stillstand verantwortlich. Von der Geldverschwendung und Vetternwirtschaft unter Italiens Politikern liefern indes Sergio Rizzo und Gian Antonio Stella mit „La casta“ ein niederschmetterndes „Röntgenbild“, schreibt der Rezensent. Es entstehe bei der Lektüre der Eindruck, Italien falle „in die schlimmeren Zeiten des Kirchenstaates zurück“.
Christiane Zintzen widmet sich für die „NZZ“ den neu herausgegebenen Hörbüchern „Radetzkymarsch“ und „Kapuzinergruft“ von Joseph Roth (1894-1939) sowie des Hörspiels „Die Strudlhofstiege“ nach dem gleichnamigen Roman von Heimito von Doderer (1896-1966). Die ersten beiden Bände der „akustischen Joseph-Roth-Ausgabe“ des Diogenes Verlages bestehen sowohl aus älteren Radioproduktionen als auch aus neueren Einspielungen. Lobenswert sei die Instrumentierung, welche zuweilen „kakanische Nuancen“ aufweise, meint Zintzen. Ebenfalls als gelungen erachtet die Rezensentin die neuinszenierte Hörspielfassung des Romans „Die Strudlhofstiege“ von Heimito von Doderer. Die „souverän eingerichtete“ Produktion erlange im Besonderen durch die „quecksilbrigen Dialoge“ der „fulminanten Sprecher“ ihren Wert.
Die „NZZ“ rezensiert das Hörbuch zu Werner Bräunigs Roman „Rummelplatz“, gelesen von Jörg Gudzuhn, und findet in der Geschichte ein „romaneskes Panorama deutscher Lebenswelt“. Der Roman handle vom Leben und Arbeiten im Erzgebirge um 1950 und ist laut „NZZ“ 1965 vom DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker verboten worden. In „effektvoller Manier des Sozialromans“ stelle Bräunig eine „Typologie von Charakteren und Karrieren“ dar. Jörg Gudzuhns Lesung setze ein wie ein „kraftvoller Muskel am Knochenbau des Textes“. Das Hörbuch sei ein „schlüssiges Konstrukt“ mit „scharf angerissenen Situationen und Szenen“, urteilt die „NZZ“.
„Süddeutsche Zeitung“
Die Aufsatzsammlung „Das Wissen der Literatur“ von Jochen Hörisch hält nicht, was der Titel verspricht, meint die „SZ“. Altbekanntes werde nicht etwa „im Licht einer verblüffend neuen These“ betrachtet, sondern bloß auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ gebracht. Dabei verwerte Hörisch seine eigentlich außerordentlichen Kenntnisse „nicht mit der nötigen Umsicht“. Für Rezensent Burkhard Müller erschließt sich nicht, „wo das hinführen soll“, wenn der Autor sich wiederholt in Assoziationen und Phrasen verliert. Zudem verweist er auf einige „Falschmeldungen“ und die vielen „Fehler in Hörischs zahlreichen lateinischen Zitaten“, und bedauert schließlich die mangelnde „Widerstandkraft gegen den eigenen plaudernden Charme“ des Literaturwissenschaftlers.
Nico Bleutge schreibt in der „SZ“, Barbara Köhlers Gedichtband „Niemands Frau“ sei ein „wuchtiges Gegenepos“ zu Homers „Odyssee“ und „weit mehr als eine semantische Fingerübung“. Die Dichterin erschreibt sich nicht nur die Motive des Homerschen Epos, sondern „buchstabiert das ‚gegenspiel’ auch in die Sprache hinein“, meint der Rezensent. Durch Verschiebung von Redewendungen potenziere sie die Bezüge und erzeuge „ein Geflecht, das in sich beweglich bleibt“. Dennoch entdeckt Bleutge „allerlei Kanten und unreine Nähte“ darin und nimmt Anstoß an den „Unmengen von Diskursen“, zu denen der Text aufrufe. So wirke die „Suche nach Gleichzeitigkeit bisweilen didaktischer, als es das linearste Schreiben sein könnte“.
„Die Zeit“
„Meisterlich“ erzähle Stephen Kinzer über die Geschichte amerikanischer Umstürze in anderen Ländern in seinem Buch „Putsch!“, urteilt Thomas Speckmann in „Die Zeit“. Akribisch habe der Pulitzer-Preisträger die Fälle der US-Interventionen und der damit verbundenen „Hybris von Macht“ aufgelistet. Laut Speckmann mit Fachwissen, denn Kinzer berichte als renommierter Journalist und Korrespondent aus mehr als 40 Ländern für Zeitungen wie „The Boston Globe“ oder „The New York Times“. Ein „erschütterndes Buch“ mit einem „todernsten Thema“, befindet Speckmann. (mar/mik/win/wip)
Literaturangaben:
ALLENDE, ISABEL: Inés meines Herzens. Roman. Aus dem Spanischen von Svenja Becker. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 397 S., 19,80 €.
BRÄUNIG, WERNER: Rummelplatz. Lesung. Sprecher: Jörg Gudzuhn. 6 CDs, 476 Minuten. Rundfunk Berlin-Brandenburg / Der Audio Verlag, Berlin 2007. 29,99 €.
DODERER, HEIMITO: VON Die Strudlhofstiege. Hörspiel. Gesprochen von Peter Matic, Peter Simonischek, Joseph Lorenz, Michou Friesz, Leslie Malton und vielen anderen. ORF, NDR, Der Hörverlag, München 2008. 4 CDs, 270 Minuten, 29,95 €.
EICH, GÜNTER: Gedichte. Gesprochen von Christian Brückner. Edition Parlando , Berlin 2007. 1 CD, 52 Minuten, 17,95 €.
---: Träume. Hörspielinszenierungen aus den Jahren 1951 und 2007. NDR / Der Hörverlag, München 2007. 3 CDs. 152 Minuten, 24,95 €.
HÖRISCH, JOCHEN: Das Wissen der Literatur. Wilhelm Fink Verlag, München 2007. 236 S., 22,90 €.
ILLY, RICCARDO: La rana cinese. Come l’Italia può tonare a crescere. Mondadori, Mailand 2007. 163 S., 14 €.
KINZER, STEPHEN: Putsch! Zur Geschichte des amerikanischen Imperialismus. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Enderwitz. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2007. 576 S., 32 €.
KÖHLER, BARBARA: Niemands Frau. Gesänge. Mit einer CD. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 112 S., 16,80 €.
PRECHT, RICHARD DAVID: Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Eine philosophische Reise. Goldmann Verlag, München 2007. 397 S., broschiert, 14,95 €.
RICOLFI, LUCA: L’arte del non governo. Da Prodi a Berlusconi e ritorno. Longanesi, Mailand 2007. 245 S., 15 €.
RIZZO, SERGIO / STELLA, GIAN ANTONIO: La casta. Così i politici italiani sono diventati intoccabili. Rizzoli, Mailand 2007. 284 S., 18 €.
ROTH, JOSEPH: Die Kapuzinergruft. Lesung. Gesprochen von Peter Matic. NDR, Diogenes Hörbuch, Zürich 2007. 5CDs, 335 Minuten, 29,90 €.
---: Radetzkymarsch. Lesung. Gesprochen von Michael Heltau. Neueinspielung. Diogenes Hörbuch, Zürich 2007. 14 CDs, 1042 Minuten, 49,90 €.
SIEMSEN, HANS: Nein! Langsam! Langsam! Herausgegeben von Dieter Sudhoff. Verlag Das Arsenal, Berlin 2008. 168 S., 16,80 €.
WANSINK, BRIAN: Essen ohne Sinn und Verstand. Wie die Lebensmittelindustrie uns manipuliert. Aus dem Amerikanischen von Sonja Hauser. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2008. 213 S., broschiert, 17,90 €.
Presseschau vom 6. März 2008
Andere Stimmen
Leseprobe zu Stephen Kinzer
Leseprobe zu Brian Wansink
Rezension zu Werner Bräunig
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