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Lied des Lichts

Der Sonnengesang des Franz von Assisi

© Die Berliner Literaturkritik, 16.04.10

MÜNCHEN (BLK) – Im Februar 2006 erschien bei Diederichs: „Das Lied des Lichts. Der Sonnengesang des Franz von Assisi“ von Bruder Benno Kehl.

Klappentext: Der Franziskanermönch Benno Kehl war schon als Kind vom heiligen Franz von Assisi fasziniert. Doch zunächst wurde er Schreiner und bereiste die Welt, bevor er sich zum Ordensbruder berufen fühlte. Inzwischen steht er mit seiner ganzen Persönlichkeit für die spirituelle Botschaft des großen Heiligen. Mit dem Lied des Lichts macht er dessen berühmten Sonnengesang für die heutige Zeit erfahrbar. Den Sonnengesang schrieb Franz von Assisi im Jahr 1225. Es ist eines der schönsten und bewegendsten christlichen Gebete – eine Ode an die Schöpfung. Bruder Benno, der als Streetworker mit Drogensüchtigen arbeitet, erschließt die geschwisterliche Spiritualität in dem Gebet neu. Danach fühlt sich der Mensch der gesamten Schöpfung verbunden – den Menschen, Tieren und Pflanzen genauso wie den Kräften der Natur. Bruder Benno baut mit seiner Botschaft eine Brücke zwischen der christlichen Tradition und dem gelebten Glauben unserer Zeit: Achte alle Lebewesen, achte die Natur und die Kraft der Elemente. Er wirbt für eine Spiritualität des Miteinanders, die so von Freude getragen ist wie der letzte Weltjugendtag in Köln. (ber/rud)

 

Leseprobe:

©Diederichs©

EINLEITUNG

Mein Weg zum heiligen Franz von Assisi

Die kleine Insel Werd bei Stein am Rhein ist eine vom Fluss umspülte Naturidylle in der Schweiz. Dort, im Franziskanerkloster St. Otmar, lebe ich mit meinen Brüdern nach der Ordnung des heiligen Franz von Assisi. Aber natürlich bin ich nicht „nur“ Franziskaner: Ich bin Streetworker und gelernter Schreiner, studierter Theologe und christlicher Sozialtherapeut. Das scheint fast zu viel zu sein für ein Leben. Mein Weg hat mich durch Höhen und Tiefen geführt, vor allem aber auf den Weg des heiligen Franz von Assisi.

Als ich im Dezember 1966 im Kanton St. Gallen mit einem sehr schwachen Schrei die Welt begrüßte, wusste ich von diesem Weg natürlich noch nichts. Ich habe vier Geschwister; eines von ihnen wurde tot geboren. Meine Eltern waren praktizierende Katholiken, aber nicht frömmlerisch. Schon als Kind faszinierte mich der heilige Franz, vor allem, weil er mit den Tieren redete. Ja, ich war schon damals von Franz von Assisi beeindruckt, besonders von der Geschwisterlichkeit, die ihn auch die Vögel Schwestern nennen ließ. Meine Religionslehrerin hatte ein Bilderbuch, in dem Franz den Tieren, vor allem den Vögeln predigte. Eines Morgens auf dem Weg kam ich an

einem Baum voller Spatzen und Meisen vorbei – und hielt ihnen meine erste Predigt. Ich weiß nicht mehr genau, was ich sagte, vielleicht formulierte ich es so: „Ihr Vögel, ihr müsst nicht in die Schule, habt keine Prüfungen ...“ Und dann habe ich gewartet, denn hatten sich nicht beim Franz die Vögel auf seine Hand gesetzt, auf seinen Kopf und die Kutte? Und alle lauschten ihm, bis er ihnen den Segen gab, und flogen dann Gott lobend auf und davon? Ich dachte mir: „Jetzt könnte doch wenigstens ein Vogel zu mir kommen, ein kleiner Spatz, wie beim Franz.“ Ganz still stand ich da, und plötzlich flog eine kleine Meise zu mir und setzte sich auf meine Hand … Sie schaute erst mich an, dann in meine Hand, ob ich da etwas bereithielte. Und dann flog sie wieder weg. Das war das erste Mal, als ich einfach staunte und wusste: Ich gehöre zu etwas ganz Großem – einfach so. Das hat mich tief berührt.

Ein anderes Mal nahm mich meine Mutter zu einem Konzert mit. Es wurde das Gebet „Der Sonnengesang“ von Franz von Assisi in musikalischer Form aufgeführt. Meine Mutter erzählte mir von dem Heiligen. Ganz intuitiv wusste ich schon damals, dass mich etwas mit diesem „Sonnengesang“ verbindet. Es war zuerst einfach die Freude. Viele Jahre später setzte ich mich intensiv mit dem Gebet auseinander, bis sich mir der darin verborgene Weg der Initiation erschloss.

Nach Abschluss der Schule machte ich eine Schreinerlehre in Rorschach, arbeitete einige Zeit selbständig und unternahm mehrere Reisen, unter anderem nach Indien und ins italienische Assisi. Später ging ich für ein Jahr als Schreiner ins Schweizer Wallis. Ich musste mir über meine Zukunft klarer werden.

Die bewegten Jahre meiner Jugend gaben mir nicht, wonach ich im Tiefsten suchte. Irgendwie fehlte etwas. Ich wusste aber nicht, was. Durch einen Freund lernte ich den Rosenkranz beten und begann, mich intensiv mit Gott auseinander zu setzen. Mitten auf einer Party wurde ich plötzlich in meinem tiefsten Innern vom Himmel berührt und erkannte, dass Gott mich rief. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen: Du spielst eine gute Rolle im falschen Film. Es folgte ein langes Ringen und Suchen, die erste tiefere Bekanntschaft mit der Heiligen Schrift – und mehr und mehr wuchs der Wunsch in mir, ein Schüler oder Jünger dieses Jesus von Nazareth zu werden. Die Frage aber war: Wie wird man ein solcher Lehrling des Gottesreiches? Im Evangelium nach Matthäus (16,24.25) fand ich die Worte: Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.

Eines Freitags, während ich das Holz für eine größere Serie Fenster zuschnitt, bewegte ich diesen Satz aus der Heiligen Schrift in der Art des Herzensgebetes in meinem Innern. „Wie kannst du es anstellen, ein Jünger Jesu zu werden?“ Nach Feierabend bereitete ich dann ein großes Holzkreuz vor und einen Rucksack voller Zement und brach am Samstagmorgen um vier Uhr auf zum Dent de Saxon. Von früheren Bergtouren wusste ich, dass dort kein Gipfelkreuz war. Ich erkletterte den Berg, schwitzte mächtig – und gegen zwölf Uhr hatte ich das Kreuz festbetoniert. Jedenfalls sagte ich dem lieben Gott, dass ich nun bereit sei, das Kreuz zu tragen, und wenn ich lernen könnte, mich selbst zu verleugnen, würde ich dies gerne tun: „Guter Gott, ob es dich wirklich gibt, kann ich nicht beweisen, aber ich übergebe dir alle Zukunftspläne, meine Beziehungen und Wünsche. Ich möchte wirklich lernen, deinen Willen zu erkennen und umzusetzen. Bitte nimm mich auf in die Schule deiner Jünger.“ Als ich das ausgesprochen hatte, kam ein köstlicher Friede über mich. Tief in mir wusste ich, dass ich als Schüler des Himmelreiches angenommen war, und dachte, nun würde sich alles ändern. Aber im Tal ging alles weiter wie zuvor, außer dass ich regelmäßiger stille Orte aufsuchte, die Bibel noch intensiver zu verstehen suchte und mich regelmäßig mit anderen Christen austauschte.

Irgendjemand gab mir ein Buch über die Franziskaner. Ich war fasziniert und mir wurde klar, dass dieser franziskanische Weg der absolut beste Lebensweg für mich wäre. Aber … keine Frauen? Zunächst unvorstellbar! Hatte ich mich doch mit 17 Jahren in Petra verliebt, die seitdem meine Freundin war. Doch die Idee, Franziskaner zu werden, ließ mich nicht mehr los. Dann erzählte ich alles Petra. Lange haben wir geredet und es gab etliche Tränen. Petra hatte mich wirklich lieb. Und sie ermunterte mich: „Benno, dann geh doch mal ins Kloster. Und schau es dir an!“ Sie wolle mich nicht heiraten und unglücklich machen, wenn ich so nicht meinem Herzen und meiner wahren Bestimmung folgen würde.

Bald darauf begann ich zu fasten und fuhr mit dem Fahrrad nach Assisi. Es war eine echte Grenzerfahrung. Als ich zurückkam, war alles klar. Meine Lebensentscheidung war gefallen. Ich fand den Mut, die Worte Jesu in die Tat umzusetzen: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkaufe deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach.“ (Mt 19.21)

Ich ging nach Hause, verschenkte und verkaufte alles, was ich besaß – bis auf mein Schreinerwerkzeug, hatte doch Franz gewollt, dass die Brüder nur das Werkzeug für die Arbeit haben. So klopfte ich an die Klostertür und bat um Aufnahme. Die Schule des Loslassens begann mit meinem Eintritt in den Franziskanerorden erst richtig. Bis heute lerne ich Lektion um Lektion. Auch Petra ist später Nonne geworden, bei den Schwestern der heiligen Klara – benannt nach der Weggefährtin des heiligen Franz.

Zunächst lebte ich ein Jahr lang auf Probe bei den Franziskanerbrüdern. Das war nicht immer eine einfache Zeit. In den ersten Jahren verließ ich das Kloster kaum, widmete mich fast ausschließlich dem Gebet und der Meditation. Den Kontakt zu meiner Familie, zu Petra und den Freunden von früher beschränkte ich auf ein Minimum. Ich wollte mich ja nur dem inneren Weg und Gott widmen. Ich war in einer Einsiedelei auf dem Wiesenberg. Dort pflegte ich Bruder Eugen, einen alten Mitbruder und Einsiedler, bis er starb. Drei Jahre dauerte diese Zeit der Stille und Einkehr, meine religiöse Grundschule sozusagen. Danach wurde ich Katechet und schloss in Luzern auf dem dritten Bildungsweg das Theologiestudium ab. Das dauerte fast sieben Jahre. Das Studium fiel mir nicht immer leicht, und mein Glaube wurde kräftig erschüttert. Das war aber gut so, denn was wirklich wahr ist, bleibt bestehen. Alles andere zerfällt.

Im Oktober 1996 machte ich die feierliche Profess, zwei Jahre später wurde ich zum Diakon geweiht, dem schloss sich eine Ausbildung zum Sozialtherapeuten an. Ich wollte im Bereich Sucht und der Bewältigung von Lebenskrisen arbeiten und brauchte etwas mehr Werkzeug. Seit einigen Jahren werden die Bitten um Vorträge immer zahlreicher: Viele fragen mich nach meiner Berufung als Franziskaner, nach meiner Arbeit mit Drogensüchtigen in Zürich. Daneben halte ich aber auch Vorträge über verschiedenste Lebens- und Glaubensthemen. Ich freue mich immer, wenn ich an spezielle Orte eingeladen werde: an die Börse in Zürich, zu den Freimaurern oder zu Vorträgen im Rahmen von Managerschulungen.

Franz von Assisi, der Gründer des Franziskanerordens, erfreut sich heute wie eh und je ungeteilter Beliebtheit – über die Grenzen von Konfessionen, ja selbst über die Schranken der Religionen hinweg. Weltweit gehören ungefähr 17 000 Brüder dem Franziskanerorden an, davon rund 550 in Deutschland, in Österreich und Südtirol 140 und in der Schweiz 30. Die drei Knoten im Strick unserer Kutte stehen für die Grundsätze, nach denen wir Franziskaner leben: Armut, Gehorsam und Keuschheit. Diese Grundgelübde sind nicht nur materiell sondern auch geistlich zu verstehen: die Seele, der Geist im Lebensstrom muss bereit sein loszulassen – in jeglicher Form, ob Geld, Besitz, Beziehungen oder Begegnungen. Keinen Besitz zu haben ist für mich kein Problem, ja, Privatbesitz ist bei uns eher ein Schimpfwort. Das Geld für den Lebensunterhalt der Gemeinschaft verdienen zwei unserer Mitbrüder als Pfarrer. Die Ordensregeln interpretiert jeder mehr oder weniger streng. Zu den übertrieben Gehorsamen gehöre ich vermutlich nicht.

Ich habe mich bewusst für den Weg der Franziskaner entschlossen. Ich hatte eine Wahl – und habe sie getroffen. Ich bin erst mit etwa mit zwanzig Jahren zum Schüler Jesu geworden. Und natürlich hatte ich nicht ununterbrochen Schlüsselerlebnisse deswegen. Ich musste das Stillsein und das Beten erst lernen. Bei Menschen, die mystische Erfahrungen haben, ist es besonders wichtig, dass sie gut ins Alltagsleben integriert sind. Der Franziskanische Weg führt ganz in den Alltag: zu den Menschen, zur Schöpfung und zu sich selbst.

Zu unserem Kloster führt ein schmaler Holzsteg über den Rhein auf die Insel Werd, zum kleinen Kloster St. Otmar. Hier ist mein Lebensmittelpunkt. Seit zwei Jahren bin ich der „Hüter „ dieser Insel, eine Art Wächter, eben der Guardian. Die zwischen Eschenz und Stein am Rhein am Untersee gelegene Insel bewohnen viele Vögel, darunter Enten, unzählige Zwergtaucher – und wir fünf Franziskanerbrüder. Wir wohnen in dem einzigen Haus, unserem Kloster St. Otmar mit der kleinen Kapelle. Hier wurde der heilige Otmar bis zu seinem Tode gefangen gehalten. Dieser Ort ist einfach sensationell. Hier, so scheint mir, sind sich Himmel und Erde besonders nahe. Der Ort ermöglicht mir etwas „Urfranziskanisches“: den Rückzug in die Einsiedelei und den Weg zu den Menschen – über die Brücke. Man geht davon aus, dass die Insel ein sehr alter Kultplatz ist. Unsere Kapelle ist eine der ältesten christlichen Kapellen im Bodenseeraum. Sie ist seit mehr als tausend Jahren besetzt. So tiefe Wurzeln haben nur wenige Bäume. Auch wenn die Insel Werd eine Oase des Friedens ist, bin ich kein frommer Eigenbrötler. Ich liebe die Gesellschaft, lache gern. Oft reise ich mit dem Zug durch die Schweiz, mit meinem Laptop unter dem Arm, das Handy meistens griffbereit.

Für mich ist jeder Tag außergewöhnlich und ein Geschenk. Morgens um sechs Uhr stehe ich auf und mache meine Turnübungen – „die sieben Christen“, wie ich sie mit einem Schmunzeln nenne. Dann gibt es eine halbe Stunde Meditation, Morgengebet, Eucharistiefeier, Frühstück, Arbeit. Dann kommen Menschen von außen, gelegentlich Journalisten. Um zwölf Uhr ist Gebet, Stille, gemeinsames Mittagessen. Am Nachmittag kommen die unterschiedlichsten Schulgruppen zu Gesprächen und Diskussionen, dazwischen mache ich wo nötig Schreiner- oder sonstige Renovierungsarbeiten am Kloster, manchmal zusammen mit Drogenabhängigen, die ab und zu auf der Insel zu Gast sind. Oder ich gehe „auf die Gasse „ oder halte einen Vortrag, zu dem ich eingeladen war. Dann ist Abendgebet, Nachtessen, Feierabend oder wieder eine Gruppe, ein Vortrag, ein Besuch. Ich lese ein bisschen, nähe an einer Franziskaner-Kutte, arbeit an Videoclips oder an unserer Website. Und dann, vor dem Schlafengehen, ein letztes persönliches Gebet. Mein Alltag besteht also nicht nur aus ora et labora. Wir Franziskaner sind keine heroischen Krieger, die immer nur arbeiten oder beten. Bei uns gehört auch die Freizeit dazu, etwa eine gemeinsame Skitour oder Wanderungen. Überhaupt haben wir es gut in unserer klösterlichen WG –was angesichts der gemeinsamen Kasse und des engen Raums keine Selbstverständlichkeit ist. Es geht familiär und ungezwungen bei uns zu.

In der Schweiz sei ich geradezu ein Medienliebling und fast so bekannt wie ein Fußball-Star, schrieb einmal ein Journalist – zumindest muss ich mich oft den Medien stellen. Das Rampenlicht nutze ich, um auch etwas Hoffnung zu verbreiten – die Öffentlichkeit und der Kontakt zu den Mitmenschen sind wichtige Bestandteile meines Lebens als Franziskaner. Ich liebe die Begegnung mit Menschen – sei es in der Jugenderziehungsanstalt, wo ich als Seelsorger arbeite, bei Vorträgen, Supervisionenoder bei der Gassenarbeit, auch Streetworking genannt. Oder eben mit meinen Brüdern im Kloster. Zwischendurch stehe ich gern in der Öffentlichkeit. Das ist Teil meiner Veranlagung und meiner Berufung. Kontaktfreudigkeit ist auch eine Voraussetzung für meine Arbeit als Seelsorger in der Züricher Drogenszene, wo ich seit zehn Jahren zwei bis drei Tage die Woche arbeite. Aber manchmal ist es einfach genug mit den Kontakten – dann brauche ich wieder etwas Ruhe …

 

Der Glaube ist für mich die geschenkte innere Kraft der Hoffnung und der Liebe, die sich zu Gott und zur geistigen Welt hin ausdehnen kann. Er ist für mich auch wie ein unsichtbarer Kanal, durch den Kraft und Liebe fließen, um sich selbst, die Menschen und die uns umgebende Realität immer klarer und liebevoller wahr- und anzunehmen. Die Geschöpfe annehmen heißt Gott annehmen, und Gott annehmen heißt auch, die Mitgeschöpfe anzunehmen und zu achten.

Die Spiritualität ist dabei der Schlüssel. Suche ich eine gesunde Spiritualität, werden mein Leben und mein Glaube auch eher heilsam sein und natürlich geprägt. Spiritualität setzt sich immer mit den Wurzeln und der Zukunft auseinander, um gut im Hier und Jetzt zu leben. Zu einer gesunden Spiritualität gehört das Sprechen über den Glauben mit anderen genauso wie das Feiern des Glaubens mit Gebeten und Liedern. Die befreiende Spiritualität versucht aber auch den Alltag mit den Augen des Geistes zu verstehen und zu deuten, wobei das das Wissen ist: Gott umarmt uns in der Realität der Welt. Neben dem Feiern des Glaubens besonders im Brechen des Brotes im Abendmahl begegnet uns das Geheimnis Gottes auch in den ärmsten und an den Rand gedrängten Mitmenschen. Sie sind oft wichtige Lehrmeister auf dem Weg zur Ganzheit, die im christlichen Sinn wie angedeutet nur über den frei gewählten inneren Abstieg des demütigen Dienens gelingt, und nur wer seine eigene Würde als Sohn oder Tochter des Höchsten Gottes durch den Glauben entdeckt hat, wird innerlich zu diesem Abstieg frei. Meine Aufgabe ist im Tiefsten die Aufgabe aller Menschen: Abbild Gottes sein und werden …

Heute benutzt man eher den Ausdruck „spirituell“, aber ich kann gut mit dem alten Wort „fromm“ leben. Ich bemühe mich, ein frommer Mann zu sein – was mir nicht immer ganz gelingt. Jene Leute, die unter einem frommen Mann jemanden verstehen, der einen Besenstiel verschluckt und die Augen zum Himmel verdreht hat und in gebückter, scheinbar demütiger Haltung umhergeht, werden ihre Mühe mit mir haben. Und es gibt etliche Menschen, die auch ihre Mühe mit mir haben. In schwierigen Momenten hilft mir der tiefe, innige Glaube an Jesus Christus. Der Glaube allein ist ein Geschenk, aber die tägliche Auseinandersetzung mit ihm kann durchaus harte Knochenarbeit sein.

Zu Engeln hatte ich schon von klein auf einen natürlichen Bezug, zu Jesus auch. Mit der Kirche hatte ich früher eigentlich nicht viel zu tun. Es war zwar immer schön in der Kirche, aber manchmal auch ein bisschen langweilig. Mir war selten bewusst, dass die Kirche mit meiner persönlichen Beziehung zu Gott sehr viel zu tun hat. Früher dachte ich: Der liebe Gott hat mir zu dienen, und ich bediene mich seiner, wann, wo und wie ich will. Er hat parat zu sein, so dass ich ihn aus dem Regal ziehen kann, um mit seiner Hilfe die anstehenden Probleme lösen zu können. Danach stelle ich ihn wieder ins Regal zurück bis ich ihn wieder brauche. Konsum-Christentum …

Dann begann meine Mutter, ihr Gebet zu verändern. Sie betete nicht mehr: „Lieber Gott, ich will das und das“, sondern „Lieber Gott, was willst du von mir in meinem Leben?“ Das berührte mich. Ist es nicht eine ziemlich existenzielle Umstellung, ob man Gott vor den Karren seiner eigenen Wünsche spannt oder ob man versucht, Gottes Willen zu erfüllen?

Meine Tage sind ausgefüllt mit Jesus Christus und den Begegnungen mit den Menschen. Christ sein ohne Gemeinschaft mit anderen verfehlt fast immer das Ziel: Jesus wurde Mensch, um die Menschen zu lieben und ihnen zu dienen. Im Moment ist es die Gassenarbeit, zu der ich mich hingezogen fühle, aber auch in der Pfarrei und in der Jugendarbeit hat es mir gefallen. Die Begegnung mit Menschen am Rande ist ein wesentlicher Punkt im Leben eines Franziskaners: Der heilige Franz von Assisi hatte seine Bekehrungserfahrung, als er einen Aussätzigen umarmte. Für mich sind die Süchtigen die Aussätzigen der heutigen Zeit. Durch Bruder Leonard, einen trockenen Franken, bin ich zur Gassenarbeit, zum Streetworking gekommen. Er sagte: „Na, Bruder Benno? Komm mal mit auf die Straße! Du hast da auf deinem Berglein in der Einsiedelei zu viel Zeit zum Beten.“ Er nahm mich auf den Platzspitz, ins Züricher Drogenviertel, mit. Er ging einfach so mitten unter die Süchtigen. Ich war total schockiert. Ich nahm meinen Rosenkranz in die Hand, setzte mich in eine Ecke und begann zu beten: „Gegrüßet seist du,Maria, voll der Gnade …“ Ich betete und fragte immer wieder: „Was soll das, lieber Gott? Das ist ja unglaublich, was hier auf der Straße passiert!“ Ich lebte damals in einer absolut anderen Welt, mit einem Bruder, den Heiligen und den Engeln auf dem Wiesenberg. Und da, auf dem Platzspitz, das war einfach die Vorhölle. Während ich betete, kam eine junge Frau: „Ist da noch frei?“, fragte sie. Ich sagte Ja. Sie packte Löffel, Spritzen, Feuerzeug und Pulver aus. Und ich war neben ihr am Beten. Das war die erste Begegnung. Ärmel nach hinten, Gurt um den Arm, dann gestikulierte und schrie sie: „Ich hab keine Venen mehr, verdammt noch mal!“ Dann hat sie sich den Fix gesetzt und ich nebenan: „Gegrüßet seist du, Maria voll der Gnade …“ Das war wirklich zum Verzweifeln und zum Lachen gleichzeitig!

Die Straße oder die Gasse, wie wir in der Schweiz sagen, wurde für mich neben der Theologie und den Brüdern zu einem meiner wichtigsten Lehrmeister. Man muss die Menschen so annehmen, wie sie sind. Denken wir an ein Paar: Zuerst ist es die große Liebe. Dann beginnt oft der Leidensweg. Man hat zu lernen, einander mit den Schattenseiten anzunehmen. Nur wenn einem dies gelingt, kann man zusammen alt werden. Das Gleiche geschieht mit dem Leben in der Kirche: Ohne Annahme gibt es keine Veränderung. Es stellt sich einzig die Frage, ob ich in der Lage bin zu wachsen und zu reifen. Denn nur dann wird mein Herz größer und zur Annahme und Liebe fähig.

Da ist auch der geschwisterliche Ansatz, wie er im „Sonnengesang“ zu finden ist: Wir sind alle Teil des Großen Ganzen und alle miteinander verbunden. Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken, sagt Jesus. Und: Huren und Zöllner werden schneller ins Reich Gottes kommen als wir Frommen.

Mein Glaube wurde immer wieder im Alltag bestärkt, etwa durch eine Art Vision am Weihnachtstag vor einigen Jahren. Ich war auf dem Weg zur Beichte in Zürich und dann kam der Impuls von meinem Schutzengel, der sagte: Benno, geh noch mal auf die Gasse, der Vater im Himmel will dir etwas erklären. Der Schutzengel ist so eine innere Intuition oder Führung, die mehr ist als ein Gedanke oder die innere Stimme. Während ich dort betete, hatte ich eine Vision: Aus der Limmat heraus wuchs ein immer größer werdendes Kreuz, vielleicht acht oder zehn Meter hoch. An diesem Kreuz hing ein Fixer, ein Drogensüchtiger, voller Spritzen und Abszesse. Als ich genauer hinschaute, sah ich, dass es Christus war, der das ganze Elend der Sucht auf sich genommen hatte. Ich hörte die Stimme des Vaters, der sagte: „Benno, hast du noch immer nicht kapiert? Mein Sohn ist für all diese Menschen am Kreuz gestorben; er hat die Schuld für sie bezahlt. Die sind nicht einfach so verdammt, wie Schneeflocken, die zur Erde fallen, sondern sie sind erlöst – sie wissen es nur nicht.“

Und was für ein Unterschied ist es, ob man von den Menschen denkt: Die müssen zuerst dieses oder jenes erfüllen, die Kommunion oder katholisch werden, oder ich weiß nicht was; oder ob du einfach auf die Menschen zugehen kannst und denkst: He – ihr seid erlöst, ihr wisst es nur nicht. Wann diese Botschaft der Erlösung sie erreicht, spielt keine große Rolle. Aber diese Hoffnung sollte jeden Menschen erreichen, dann kann er tun und lassen, was er will. In mir hatte sich in diesem Augenblick etwas verändert:Von diesem Tag an war ich befreit. Befreit von dem inneren Druck, Gott und den Menschen zu genügen. Ich wusste, ich bin zuerst einmal einfach erlöst. Nicht nur die Drogensüchtigen, sondern auch ich selbst. In diesem Augenblick kam in mir wahre Freude auf, ich drehte mich um. Ein Dealer in einer schwarzen Lederjacke kam auf mich zu und ich packte ihn an der Schulter und sagte: „He, Junge, du bist erlöst! Du weißt es nicht, aber du bist erlöst.“ Und er meinte nur: „He, was ist, hast du zu viel gebetet oder was?“

Neben der Gassenarbeit ist die Arbeit mit Jugendlichen ein wesentlicher Bestandteil meiner täglichen Glaubensarbeit. Etliche junge Leute fühlen sich offenbar von meiner Art angezogen. So organisieren wir unter anderem jedes Jahr ein sehr beliebtes Open-Air-Konzert auf der Insel, das Clean Open Air (ohne Alkohol und ohne Drogen), ebenso wie ein Kinderlager. Der Erlös dieser Veranstaltungen kommt wiederum der Gassenarbeit zugute, die sich ausschließlich durch Spenden finanziert.

Ich habe mit verschiedensten Jugendlichen zu tun, besonders im Zusammenhang mit Glaubens-, Berufungs- und Sinnfragen, aber auch bei der Suchtprävention. Oft sind es kleinere Gruppen, aber manchmal auch hunderte Jugendliche. Mir ist dabei aufgefallen, dass es bei ihnen eine destruktive Eigendynamik geben kann, die normalerweise mit einer gesunden und natürlichen Autorität mehr oder weniger problemlos abgefangen werden kann. Ich erlebe sie zugleich als suchend und sehr offen für stimmige und authentische Vorbilder, die sie den Weg der Freiheit lehren. Die meisten Jugendlichen sehnen sich danach, dass ihnen jemand vom Weg der Wahrheit und des Lebens erzählt. Sie suchen nach Inputs für ihr Leben, nach Wegweisern, die ihnen eine Spur in die Zukunft zeigen. Diese Generation ist sicher von einer ganz neuen Kultur und Sprache geprägt, und trotzdem erlebe ich die Jugendlichen als sehr offen. Ich habe noch kaum einen jungen Menschen erlebt, der nicht an einem wirklich lebendigen Gott interessiert wäre. Die Jugendlichen achten sehr darauf, ob die Lehrer lebendig und kongruent sind – sie nehmen unsere Spiritualität, die Moral, unseren Glauben, das verborgene Gebetsleben, aber auch unsere Konflikte viel genauer wahr, als wir es uns wohl eingestehen wollen.

Ich versuche nicht, den jungen Menschen zu sagen, wie man Schiffe baut, indem ich ihnen Holz bringe und Pläne zeichne. Sie würden schnell das Interesse am Schiffbau verlieren. Wenn es uns aber gelingt, die Sehnsucht nach dem weiten Meer zu wecken, dann werden sie selber Pläne machen, Holz organisieren und seetüchtige Boote bauen. Um diese Sehnsucht nach dem weiten Meer – eben nach Gott – zu wecken ist es ideal, wenn ein Team und jeder Einzelne im Team versucht ein echtes geistliches Leben zu pflegen, so dass das regelmäßige Gebet, Meditation, Supervision oder geistliche Begleitung, Hauskreis und Gottesdienstbesuch zur Grundhaltung gehören. Bei all denen, die diese Grundhaltung des Glaubens pflegen, mache ich die gleiche Beobachtung: Diese Menschen gehen auch durch die Schule der Selbsterfahrung. Es sind Menschen, die ihre Stärken und ihre Abgründe nur zu gut kennen und sich selbst immer wieder in Christus erneuern lassen. Diese Menschen wirken auf andere im positiven Sinne ansteckend!

Es gibt auch schwierige Fragen in der modernen katholischen Kirche. Und ich bin nicht gefeit vor Zwist und Zweifel: da sind das Zölibat, der Priestermangel, die Frauenordination, überhaupt die Stellung der Frau in der Kirche. Ich bin nicht unbedingt ein orthodoxer oder gar engstirniger Franziskaner. Im Gegenteil: Ich interessiere mich für andere Kulturen und Glaubensrichtungen. Das wird nicht immer gern gesehen. Aber der Weg, den wir zu Gott hin suchen, besteht immer auch im Ringen um die Art und Weise, die heute, hier und jetzt angemessen ist. Jeder Einzelne bringt dafür seine besonderen Begabungen ein. Es wird darauf ankommen, dass wir sie miteinander in der Gemeinschaft tragen, vielleicht auch ertragen, und fruchtbar werden lassen.

 

Natürlich will jeder, der sich irgendwie auf geistliche und spirituelle Werte beruft, Frieden und Versöhnung predigen, Sorge für das Leben und die Ärmsten und achtsamen Umgang mit der Schöpfung. Aber die Frage ist, wie das konkret umgesetzt werden kann! Mit dem Lied des Lichts, der eher eigenwilligen Ausfaltung des „Sonnengesangs“, wünsche ich mir, dass meine Leserinnen und Leser sich auf den inneren Prozess einlassen und so eine Wandlung erfahren. Wer diese Initiationender Elemente durchschritten hat, wird von innen heraus eine natürliche Option für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung entfalten. Die Initiation ist für den gelungen, der zum jeweiligen Element einen geschwisterlichen Bezug erlangt und für den die Botschaft des Elements in sein Leben hineinzusprechen beginnt. So kann das Lied des Lichts ein wesentlicher Teil der eigenen Lebenshaltung werden. In vielen Ländern der Erde ist das folgende Gebet verbreitet:

Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst,
dass ich verzeihe, wo man beleidigt,
dass ich verbinde, wo Streit ist,
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist,
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht,
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält,
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert,
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste,
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich
verstehe,
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt,
wer sich selbst vergisst, der findet,
wer verzeiht, dem wird verziehen,
und wer mit dir stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.

Dieses Gebet ist ganz aus dem Geist des heiligen Franz heraus formuliert. Es mit Leben zu erfüllen wäre jedoch eine bedrohliche Überforderung des Einzelnen, wenn nicht zuvor die innere Verbindung zur Quelle des Lebens, die aus Gott entspringt, gefunden wurde. Denn nur wer zuerst geliebt wurde, kann lieben. Nur was wir empfangen haben, können wir weiterschenken. Sind wir im innersten Kern zutiefst Kind Gottes geworden, vermögen wir aus der Grunderfahrung zu leben, dass wir ganz gewollt und geliebt sind, selbst dann, wenn wir moralisch oder sonst versagen.

In der biblischen Sprache heißt das: Der Heilige Geist hat in uns Wohnung genommen. Da Gottes Liebe gerade durch die Schöpfung erkennbar ist, sind die Elemente sehr gute Lehrmeister, um sich der alles durchdringenden Liebe bewusst zu werden. Wer nicht nur über die „All“-Liebe spricht, liest oder schreibt, sondern diese Liebe zutiefst in seiner Seele, in seinem Herzen erlebt, bei dem wächst die innere franziskanische Haltung ganz natürlich, entfalten sich heitere Bescheidenheit, Mitgefühl und das Handeln im rechten Moment, das Wissen, dass uns das materielle Dasein nicht als privater Besitz gehört, sondern dass wir Häuser, Äcker, Firmen usw. möglichst gut in dieser Zeit verwalten dürfen, ohne unser Herz an sie zu verlieren.

Jeder versteht den heiligen Franz etwas anders, genauso wie Jesus Christus. Für mich ist das Wichtigste an Franz die revolutionäre Umkehrung der Weltordnung, die er beispielhaft gelebt hat. Er folgte konsequent der Lehre Jesu, so wie sie im Philipperhymnus dargelegt wird: Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: „Jesus Christus ist der Herr“ – zur Ehre Gottes, des Vaters. (Phil 2,5–11)

In Franz wurde dieses urchristliche Lied Fleisch. Dieser Hymnus ist wohl einer der wesentlichen Schlüssel, um seinen Weg überhaupt zu verstehen: seinen Zugang zu den Elementen, zu den Armen und zur Kirche. Hier wird das zweifache Herabsteigen Jesu beschrieben. Das erste Herabsteigen Jesu: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein.“ Jesus verbarg sozusagen die Gottheit, und Franz verzichtete bewusst auf jede hervorgehobene Stellung in Kirche oder Gesellschaft. (Sind es nicht in unserer Gesellschaft die Angesehenen und Mächtigen, die eine Art „Götterstatus“ haben – auch wenn das nicht so deutlich formuliert wird?) Über das zweite Herabsteigen Jesu schreibt Paulus: „… und er wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.“ Die Menschlichkeit von Franz zeigt sich zutiefst in seiner dienenden Lebenshaltung – jedem Geschöpf wollte er untertan sein. So wünschte er sich für die Brüder, die es ihm gleichtun wollten, dass sie fratres minores, die kleineren oder minderen Brüder, seien. Dies wurde später zur Bezeichnung des Franziskanischen Ordens: Ordo Fratrum Minorum, OFM. Er und seine Brüder wollten durch ihr Leben allen Geschöpfen dienen, weil Jesus es so vorgelebt hat. Franz wusste zutiefst, dass der Aufstieg in den Himmel nur durch den Abstieg ins Dienen geschieht … so wie es von einem Sklaven gefordert wurde, ohne dass man ihm Danke sagt für seine Dienste. Der Unterschied zwischen einem Sklaven und einem Franziskanerbruder ist jedoch, dass die Brüder freiwillig den Weg der Kenosis, der Entäußerung, des Abstieges ins Kleinsein gehen oder es wenigstens versuchen. Denn darin liegt die wahre Größe, die kosmische Dimensionen annimmt, je tiefer jemand innerlich abzusteigen vermag. Aus diesem Abstieg bekam Franz den unglaublichen Zugang zur Schöpfung – zu sich selbst, zu Menschen, zu Tieren, Pflanzen, Steinen, zu anderen Religionen und im Besonderen zur Kirche und durch Jesus auch zum Dreieinigen heiligen Gott. Die Wundmale oder Stigmata, die Franz zwei Jahre vor seinem Tod in seinen Leib eingeprägt bekam, sprengen die normale Vorstellungskraft über das, was mit „Dienen“ gemeint ist.

Franz begann diesen Weg mit dem folgenden wunderschönen Gebet. Er ging die Treppe hinunter zu Christus Stufe für Stufe, wurde selbst der „andere Christus“, wie man ihn auch genannt hat.

Höchster, glorreicher Gott, erleuchte die Finsternis meines Herzens und schenke mir rechten Glauben, gefestigte Hoffnung und vollendete Liebe. Gib mir, Herr, das rechte Empfinden und Erkennen, damit ich deinen heiligen und wahrhaften Auftrag erfülle.

Amen.

©Diederichs©

Literaturangabe:

KEHL, BENNO: Das Lied des Lichts. Der Sonnengesang des Franz von Assisi. Übersetzung des Sonnengesangs: Elisabeth Liebl. Diederichs, 2006 224 S., 16,95 €.

Weblink:

Diederichs Verlag


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