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Literaturschau des Weiblichen

„Leidenschaften“ von Verena Auffermann

© Die Berliner Literaturkritik, 23.12.09

Von Björn Hayer

Sie erschufen ganze Universen der Weltliteratur, verzauberten und schockierten Millionen. 99 Autorinnen der Weltliteratur wird mit dem aufregenden Kompendium „Leidenschaften. 99 Autorinnen der Weltliteratur.“ von Deutschlands Literaturexpertinnen Verena Auffermann, Ursula März, Gunhild Kübler und Elke Schmitter eine beeindruckend - lebensnahe Hommage gesetzt.

Die Auswahl der Kritikerinnen könnte nicht willkürlicher und unwissenschaftlicher sein. Entscheidend war jedoch nicht unbedingt die treffliche Interpretation ihrer Meisterwerke, als der Mut zur freiheitlichen Anekdote. Wie könnte man auch ein Zusammentreffen zwischen Astrid Lindgren, der Millionenbestsellerien J.K.Rowling und der Linksintellektuellen Duras und Bachmann rechtfertigen, wenn nicht jede dieser einzigartigen Vertreterinnen des Weiblichen in der Literatur über ihre ganz individuellen Absichten, Wünsche, Epoche oder Lebenswege gewürdigt werden würde. Wohingegen die Wissenschaft stets der Bemühung folgt, Texte und Autoren zu kanonisieren, besteht die Kunstfertigkeit jenes fast 700 Seiten starken Textkonvoluts gerade in der Entsagung jeglicher Klassikerbildung. Denn jeder Kanon verallgemeinert, führt zusammen, lässt persönliche Bewegmomente verblassen. Indem die Damen Auffermann und Co. Poetisch liebenswert erzählen, wie Rowling ihren Harry Potter aus finanzieller Not mehrfach mit der Schreibmaschine abtippte, um Kopiergeld für die Verschickung an die Verlage zu sparen oder welch innige Bindung Ingeborg Bachmann zu Paul Celan gehabt haben muss, entfaltet sich gerade die menschliche Wirkungsdimension, die vollkommen eigene Besonderheit der Schriftstellerinnen. Da ist die Dänin Karen Blixen, die sich nach ihrem Aufbruch in die Selbstständigkeit in Afrika erhofft, der familiären Abhängigkeit zu entfliehen und durch den Tod ihrer Lebensliebe Finch Hatton das Schicksal bis zuletzt verruft oder eine Isabell Allende, welche es mit all ihrer schöpferischen Magie gelungen ist, der eigenen Familie ein kulturelles Denkmal zu setzen. Da ist die junge Mary Shelley, welche in nahezu prophetischer Voraussicht in ihrem Roman „Frankenstein“ die für das 20. Jahrhundert so prägende Gefahr der technologischen Verselbstständigung beschreibt, oder stets umstrittene Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, deren Roman die bloße Offenlegung des Schreckens und Ekels inszenieren.

Gibt es da noch eine Gemeinsamkeit? Ein abschließendes Credo kann es hier kaum geben, weil die Schriftstellerinnen wohl verschiedener nicht sein könnten. Einzig verbindend ist nur, dass sie allesamt Frauen sind und jede auf ihre Weise letztlich politischer Kämpferin der Freiheit waren. Die Geschichte der weiblichen Literatur ist auch die Geschichte weiblicher Emanzipationskraft. Um der Bevormundung zu fliehen, musste sie schreiben. Schreiben, damit die Welt von morgen einmal besser werden würde. Obgleich jede der 99 Dichterinnen sich nicht unbedingt im Dienste politischer Umbrüche sah, steht ihr Werk dennoch im Lichte eines ungetrübten, femininen Selbstbewusstseins, das sich künstlerisch Ausdruck verleiht.

Nicht minder ehrgeizig scheinen die vier Literaturjournalisten, die mit ihren Sichtweisen die abwechslungsreichen Kurzaufsätzen den Autorinnen eine neue Lebendigkeit verleihen. Oftmals wird heute die Inhaltslosigkeit der modernen Literaturkritik gerügt und den Rezensenten fehlendes Hintergrundwissen unterstellt. Dass die Verfasserinnen jenes geistesgeschichtlichen Denkmals einen vitalen Gegenentwurf zu dieser These darstellen, kann kaum infrage gestellt werden. Nie war Literaturwissen so verdichtet und gleichsam so leicht. Aufferman, März, Schmitter und Kübler zeigen: Es gibt doch noch Dichter und Denker in diesem Land!

Literaturangabe:

AUFFERMANN, VERENA / MÄRZ, URSULA / SCHMITTER, ELKE / KÜBLER, GUNHILD: Leidenschaften - 99 Autorinnen der Weltliteratur. C. Bertelsmann Verlag, München 2009. 638 S., 24,95 €.

Weblink:

Bertelsmann Verlag

 

 


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