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Louise Erdrich: „Solange du lebst“

Eine wunderbare Indianergeschichte

© Die Berliner Literaturkritik, 05.03.09

 

Von Nada Weigelt

 

Es ist eine Indianergeschichte der ganz besonderen Art. Die amerikanische Schriftstellerin Louise Erdrich (54), die selbst einen Chippewa-Häuptling zum Großvater hat, erzählt in ihrem neuen Roman „Solange du lebst“ von einer rassistisch motivierten Bluttat, die das Leben einer Kleinstadt in North Dakota für Generationen auf düstere und geheimnisvolle Weise bestimmt. „Ein Meisterwerk“, befand Schriftsteller-Kollege Philip Roth. „Louise Erdrich hat mit ‚Solange du lebst’ den Zenith erreicht.“

 

Die Geschichte beginnt 1911. Nachdem eine fünfköpfige weiße Farmerfamilie am Rande des Indianerreservats ermordet aufgefunden wird, greifen Nachbarn zur Selbstjustiz: Ohne jeden Beleg erklären sie eine Gruppe von Indianern, darunter einen 13-jährigen Jungen, für verantwortlich und hängen sie auf – der wirkliche Mörder wird nie gefasst. Doch Täter und Opfer bleiben durch ihre Kinder und

Kindeskinder miteinander verbunden.

 

Erdrich verfolgt das Schicksal der Nachfahren, deren Lebenslinien sich auf unterschiedlichste Weisen kreuzen und immer wieder die Geister der Vergangenheit wach werden lassen: Mooshum, der einzige Überlebende der gelynchten Indianergruppe, verliebt sich in Junesse, ein Kind der selbsternannten Lyncher. Eine ihrer Töchter heiratet einen Richter, dessen langjährige Geliebte das überlebende Kind der weißen Farmerfamilie ist. Und eine andere Nachfahrin der Bürgerwehr kommt später als Nonne wieder in die Stadt zurück, um die Enkel der beschuldigten Indianer zu unterrichten.

 

Erdrich lässt vier Hauptfiguren die Geschichte aus ihrer je eigenen Perspektive erzählen und entwirft damit Schritt für Schritt das Gesamtbild. Evelina, die Enkelin des Indianers Mooshum, deren Leben oft an die Biografie der Autorin erinnert, sagt es einmal so: „Ich verfolgte die blutige Spur der Morde quer durch die Familien meiner Mitschüler und Freunde, bis ich ein kompliziertes Geflecht aus Linien und Doppelkreisen aufzeichnen konnte.“

 

Wie in ihren früheren Büchern (etwa „Liebeszauber“, „Die Antilopenfrau“ und „Der Club der singenden Metzger“) erzählt Erdrich in einer wunderbaren Mischung aus Ernst, Humor und einer tiefen Anteilnahme für ihre Figuren. Lachen und Weinen, Liebe und Leid, Realität und Fabel – das alles liegt in ihrer Welt sehr nah beieinander.

 

„Ich denke mir so etwas nicht aus. Diese Geschichten gibt es irgendwo, ich höre nur zu“, sagte sie einmal. Als Tochter eines deutschstämmigen Vaters und einer Halbindianerin im Reservat aufgewachsen, gilt die mehrfach preisgekrönte Autorin längst als Aushängeschild der modernen „Indianerliteratur“.

 

Allerdings wehrt sie sich gegen ein Schubladendenken bei Schriftstellern. „Es gibt immer eine Mischung von Menschen und Charakteren. Ich bin selbst gemischt. Ich fühle mich nicht verpflichtet, auf eine bestimmte Art zu schreiben“, sagt sie. Nach Ansicht der „New York Times“ ist ihr diese Mischung bei ihrem jüngsten Roman besonders gut gelungen. „Mit ‚Solange du lebst’ hat sie ihr wohl ambitioniertestes – und in vieler Hinsicht ihr am tiefsten berührendes Werk bisher geschrieben.“

Literaturangaben:
ERDRICH, LOUISE: Solange du lebst. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2009. 396 S., 22,80 €.

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