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Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche

David Berger berichtet von seinen Erfahrungen in der katholischen Kirche

© Die Berliner Literaturkritik, 01.06.16

(Diese Rezension erschien erstmals im Januar 2011 in diesem Literaturmagazin.)

Berger, David: Der heilige Schein, Ullstein-Verlag, Berlin 2010, 304 S., 18,00€


Von Yuriko Wahl

Unter katholischen Priestern seien 20 bis 40 Prozent homosexuell veranlagt. Schreibt David Berger, schwuler Theologe aus Köln, in seinem Buch „Der heilige Schein“. Viele homosexuelle Männer fühlten sich von der katholischen Kirche besonders angezogen, obwohl es dort eine große Schwulenfeindlichkeit gebe und sich unter Papst Benedikt XVI. der Umgang mit Homosexualität verschärft habe. Aber die gesamte Ästhetik mit alter Liturgie, Barockgewändern, klassischer Musik und Weihrauchschwaden ­ „und das alles in Männerhand“ - stehe der homosexuellen Kultur nahe, schreibt der 42-Jährige, der einst in konservativen Kirchenkreisen hoch angesehen war und viele Ämter innehatte. Im April outete er sich, warf alles hin und packt nun aus.

Homosexualität werde als Druckmittel von Kirchenoberen eingesetzt, um aufmüpfige Köpfe bei Bedarf auf Kurs zu halten, kritisiert Berger. Daran habe Papst Benedikt mit seinem vatikanischen Dokument von 2005 ein großen Anteil. Denn dieses schließe auch Menschen von einer Priesterweihe aus, die ihre Homosexualität nicht praktizierten, sondern lediglich „homosexuelle Tendenzen“ haben. „Das vatikanische Dokument ist wie kein zweites geeignet, unliebsame Personen wegzumobben.“ Ein „perfides Unterdrückungssystem“ habe sich etabliert und Vorgesetzte hätten „alle Machtmittel in der Hand, um Renitente gefügig zu machen“.

Das fördere auch Misstrauen und Lüge, beklagt der habilitierte Theologe: „Das Verhältnis zu Klerikern untereinander und zu den ihnen anvertrauten Gläubigen baut so auf einer prinzipiellen Unredlichkeit auf.“ Im Umgang der Kirche mit Homosexualität und dem Skandal um Kindesmissbrauch in katholischen Einrichtungen sieht er eine Parallele: „Beide Probleme werden durch Vertuschung und Heimlichtuerei enorm verstärkt.“

Die Missbrauchsskandale und der Fall des britischen Holocaust- Leugners Richard Williamson - der Papst hatte die Exkommunikation des Bischofs der Piusbruderschaft aufgehoben - hätten die katholische Kirche in eine große Krise gestürzt, schreibt Berger. Eine „antiquierte Sexualmoral“ erkläre Sexualität für sündig, sofern sie nicht der Vermehrung des Menschengeschlechts diene. Diese Haltung und eine „klerikale Bunkermentalität“ drängten die Kirche weiter ins Abseits.

Berger war 2003 zum korrespondierenden Professor der Päpstlichen Thomas-Akademie ernannt worden und gab jahrelang die in konservativen Katholikenkreisen wichtige Zeitschrift „Theologisches“ heraus. Durch seine Arbeit sei er mit vielen Erzkonservativen wie Vertretern der umstrittenen Piusbruderschaft und der Opus-Dei-Laienorganisation zusammengekommen. Und auch mit einflussreichen reaktionären Zirkeln, in denen laut Berger antisemitische, antidemokratische, Frauen- und Schwulenfeindliche Thesen verbreitet werden.

Der Theologe spricht in seinem Buch auch von einem dort propagierten „katholischen Dschihad“, der im „Kampf gegen die offene Gesellschaft in der Demokratie“ auf ein großes Netzwerk - auch mit „ranghöchsten“ Kirchenmännern - bauen könne. Der Einfluss der Ultrakonservativen auf die gesamte Kirche wachse, deren Vertreter würden auch in vatikanische Ämter geholt. Die Kirche müsse sich von reaktionären Gruppen klar distanzieren.

Er selbst sei über Jahre Teil eines heuchlerischen Systems gewesen und habe viele Vorteile genossen, räumt der Gymnasiallehrer ein. Die Scheinheiligkeit und die Verteufelung der Homosexualität habe ihn am Ende aber bewogen, einen Schlussstrich zu ziehen und seine sexuelle Veranlagung öffentlich zu machen. Die fromme Fassade sei brüchig geworden, glaubt Berger.

Die Gläubigen werden sich in Scharen abwenden, wenn kein Kurswechsel komme, prognostiziert er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. „Ich wünsche mir eine andere Einstellung zur Homosexualität und eine große Ehrlichkeit beim Thema Sexualität. Und ich würde mir wünschen, dass denjenigen, die die erzkonservativen Kräfte so überstark fördern, die Augen aufgehen, vor welcher Gefahr die katholische Kirche steht. Wenn sie sich denen zu sehr nähert, wird die Kirche abdriften zu einer fundamentalistischen Sekte, die nur noch marginale Bedeutung in Europa hat.“

Weblink: Ullstein Verlag


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