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Maarten ’t Hart wird 65

Der Provokateur hat Geburtstag und ein neues Buch geschrieben

© Die Berliner Literaturkritik, 19.11.09


AMSTERDAMM (BLK) - Diesem Mann ist nichts heilig. Jedenfalls nichts, was mit der Bibel, der Kirche oder dem menschlichen Hang zu tun hat, Spaß an der einen oder anderen Sünde zu finden. Dass er sich auf diese Weise mit etlichen seiner mehr als 30 Bücher neben vielen Freunden auch Feinde gemacht hat, weiß der Niederländer Maarten ’t Hart nur zu gut. Dennoch teilt der Erfolgsautor, der am Mittwoch (25. November) seinen 65. Geburtstag feiert, fleißig weiter aus.

Natürlich auch in seinem neuesten Werk „Verlovingstijd“, das im Februar unter dem Titel „Der Schneeflockenbaum“ im Piper-Verlag auf Deutsch erscheint. Seinem Ruf als „Nestbeschmutzer“, wie sich 't Hart 1998 in seinem autobiografischen Bestseller „De vlieger“ (deutsch 2008 „Der Flieger“) selbst nannte, wird der Sohn eines strenggläubigen Calvinisten mit seinem jüngsten Streich wieder voll und ganz gerecht.

I
n der gewohnten sprachlichen Virtuosität und Anschaulichkeit gelingt es ihm, selbst ein Begräbnis wie ein Fest wirken zu lassen. Freilich erwartet man das schon von dem Mann, der in seinem umfassenden Werk immer wieder mal Kindheitserlebnisse auf Friedhöfen und mit dem Job seines Erzeugers Paulus ’t Hart reflektiert, der sein Brot als Totengräber verdiente.

Dass der Romanheld sich als Universitätsprofessor in einen ehebrecherischen Liebesakt mit einer Studentin einlässt, war dabei kaum noch ein Aufreger. Die provozierende Gesellschaftskritik kommt diesmal als namenloser Erzähler daher, der darüber nachsinnt, was wohl passieren würde, wenn keine Kinder mehr geboren werden.

Wenn es nach ihm geht, wäre das kein Unglück. Vielmehr würde die Welt wie ’t Hart sie darstellt, „einen kolossalen Seufzer der Erleichterung vernehmen“, wie die Amsterdamer Zeitung „Het Parool“ schrieb. Von wem? Von allem anderen, was lebt. Und warum? Weil der Mensch, so der Erzähler, das „am meisten verachtenswerte Produkt der Evolution“ sei. „Nichts ist ihm heilig oder sicher vor ihm, abgesehen von seinen wahnwitzigen Religionen.“

S
eit Jahren schon weigern sich Leute wie der Chef der streng-calvinistischen Partei SGP, Bastiaan van der Vlies, Maarten ’t Hart die Hand zu geben. „Der findet, dass ich ein schlechter, verdorbener Mensch bin“, sagte der Schriftsteller. Dabei lässt sich in ’t Harts oft spannenden, stets mit Gespür für anschauliche Details atmosphärisch dicht geschriebenen Romanen ein eindringliches Plädoyer für mehr Menschlichkeit und Toleranz - trotz aller Provokation - eigentlich nicht überlesen.

Sonst würde ’t Hart auch kaum seit Jahrzehnten zu den beliebtesten Autoren seiner Heimat gehören. Den Durchbruch zum großen Erfolg als Romanautor schaffte der Liebhaber klassischer Musik, der sich das Klavierspielen mit Hilfe von Lehrbüchern selbst beibrachte, Anfang der 80-er Jahre mit später auch verfilmten Roman „Ein Schwarm Regenbrachvögel“.

Seine deutsche Anhängerschaft wuchs sprunghaft nachdem 1997 der Gesellschaftskrimi „Das Wüten der ganzen Welt“ erschien. Mit der spannenden Geschichte um einen Mord, dessen Motiv bis in die Zeit der deutschen Besetzung der Niederlande zurückreicht, verbindet ’t Hart Kritik an religiöser Verbohrtheit und provinzieller Enge. Seinen Landsleuten ist das Thema vertraut. Viele Ausländer aber haben erst durch seine Bücher die Einsicht gewonnen, das es in den Niederlanden keineswegs überall so locker und liberal zugeht wie in Amsterdam. (dpa/wer)

Weblink:

Piper Verlag


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