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Macho in Bestseller-Boots – Wolf Wondratschek wird 65

Der Verlag dtv bringt zum Anlass bisher unveröffentlichte Gedichte heraus

© Die Berliner Literaturkritik, 14.08.08

 

Von Miriam Bandar

WIEN / MÜNCHEN (BLK) – Rock-Poet, Literatur-Macho und 68er-Rebell sind nur einige Attribute, die dem Dichter und Schriftsteller Wolf Wondratschek im Laufe seines Lebens zugeschrieben wurden. „Carmen oder Bin ich das Arschloch der achtziger Jahre“ betitelte er selbst 1986 ein episches Poem mit vielen autobiografischen Bezügen. Am 14. August 2008 wird das ehemalige „Enfant terrible“ 65 Jahre alt. Der Taschenbuchverlag dtv hat passend dazu das Buch „Lied von der Liebe“ mit teils unveröffentlichten Gedichten auf den Markt gebracht. Das Werk schließt eine 13-bändige Reihe mit allen Werken des Autors ab.

„Wondratschek ist das Wunder gelungen, aus Lyrik einen Bestseller zu machen“, sagt ein Sprecher des Verlages. Gedichtbände wie „Chuck's Zimmer“, „Das leise Lachen am Ohr eines anderen“ und „Männer und Frauen“ wurden in den 70er Jahren eher zufällig zum Renner. Auf Anraten seiner Freunde bringt Wondratschek die Bände zuerst in kleiner Auflage bei dem Buchversand Zweitausendeins heraus, die Nachfrage überrascht ihn selbst. „Was für ein Wunder, mit Gedichten Geld zu verdienen“, notiert er in seiner Biografie auf seiner Website (www.wolf-wondratschek.de). Dort bezeichnet er die 70er auch als das beste Jahrzehnt seiner jungen Jahre. „Es hieß, ich sei drogensüchtig. Es hieß, ich triebe mich im Milieu in St. Pauli herum, mit Huren, Zuhältern und Boxern. Ich war dafür richtig prominent“, erinnert er sich.

Wondratschek wird 1943 in Rudolstadt in Thüringen geboren und wächst in Karlsruhe auf. Nach seinem Abitur studiert er in Heidelberg, Göttingen und Frankfurt am Main Literaturwissenschaft, Philosophie und Soziologie und veröffentlicht erste Gedichte. Obwohl er keinen Abschluss hat, erhält er 1970 eine Gastdozentur für Poetik an der Universität Warwick.

Ende der 60er Jahre gibt er der 68er-Bewegung mit kurzen und prägnanten Prosatexten gegen das bürgerliche Milieu eine literarische Stimme. Er experimentiert mit neuen literarischen Techniken und der Form des Hörspiels, sein 1969 veröffentlichter Prosaband „Früher begann der Tag mit einer Schusswunde“ wird zum Kultbuch. „Ein einflussreicher, mir damals aber völlig unbekannter Herr namens Marcel Reich-Ranicki schrieb eine ziemliche Lobeshymne“, erklärt der Autor in seiner Biografie.

Privat inszenierte sich der Schriftsteller immer gern als „harter Kerl“ in Jeans und Cowboy-Stiefeln. Er ist Box-Fan, und es zieht ihn immer wieder in die Halbwelt. Von den 80er Jahren an finden sich Männer-Mythen und Mann-Frau-Beziehungen auch als Themen in seinen Werken wieder, wie in der Sonett-Sammlung „Die Einsamkeit der Männer“ oder dem Reportage-Band „Menschen/Orte/Fäuste“. Kritiker werfen ihm immer wieder Machotum und ein zu traditionelles Frauenbild vor. Sein erster Tatsachenroman „Einer von der Straße“ über das Leben des Münchner Spielhallenbesitzers und Rotlicht-Experten Walter Staudinger wird als distanzlose Verklärung des beschriebenen Milieus kritisiert.

In den 90er Jahren zieht Wondratschek nach Wien und erlebt mit Werken wie dem heiter-melancholischen Roman „Mozarts Friseur“ oder dem Roman „Mara“ über das Leben eines Stradivari-Cellos ein literarisches Comeback. Auch Gedichte schreibt er wieder. „Ich nahm Wien nicht als Stadt, sondern als Echokammer einer untergegangenen Welt wahr“, schreibt er über die ehemalige Kaiserstadt an der Donau. Heute pendelt Wondratschek ohne feste Wohnung zwischen München und Wien hin und her.

Literaturangaben:
WONDRATSCHEK, WOLF: Lied von der Liebe. dtv, München 2008. 128 S., 8,90 €.

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