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Mächtig auf Zeit

Portraits der 44 US-Präsidenten von George Washington bis Barack Obama

Von: ROLAND H. WIEGENSTEIN - © Die Berliner Literaturkritik, 27.08.09

Dreiundvierzig Präsidenten waren es von 1789 bis heute: „Alle waren weiße Männer. Vor ihrer Wahl waren die meisten Anwälte gewesen, aber nicht weniger als elf hatten es in einer militärischen Karriere bis zum General gebracht. Lediglich 16 wurden nach ihrer ersten Amtszeit wiedergewählt (nur ein einziger dreimal) beziehungsweise nach einer Pause noch einmal gewählt, vier weitere gelangten als Vizepräsidenten ins höchste Amt und wurden bei der nächsten Wahl bestätigt; die Mehrzahl diente aber nur vier Jahre oder kürzer. Vier Präsidenten starben im Amt eines natürlichen Todes, vier wurden während ihrer Amtszeit ermordet, einer trat zurück. Seit den Präsidentschaftswahlen von 1856, als sich das derzeit existierende Parteiensystem bildete, gab es 21 republikanische, aber nur 14 demokratische Siege. Kein Kandidat einer dritten Partei oder Unabhängiger konnte sich je durchsetzen.“ Erst der vierundvierzigste ist ein „Schwarzer“ — Barack Obama.

Als der im Jahr 2000 verstorbene Historiker Jürgen Heideking 1995 in der ersten Auflage des Buchs „Die amerikanischen Präsidenten“, die zitierten Sätze im Vorwort schrieb, hätte er sich diese revolutionäre Neuigkeit vermutlich kaum vorstellen können, doch in der fünften von Christof Mauch redigierten und bis in die unmittelbare Gegenwart fortgeführten Ausgabe, da gibt es auch ihn, den schwarzen Präsidenten. Heideking hat damals auch — wie viele Forscher — eine Art Rangliste aufgestellt, auf den ersten drei Plätzen figurieren George Washington, Thomas Jefferson und Abraham Lincoln, dem er den absoluten Primat zuspricht. Diese drei sind „im kollektiven Bewusstsein der USA zu mythischen Figuren geworden. George Washington markiert den Beginn der amerikanischen Nationalgeschichte, Jefferson steht für die Prinzipien der Unabhängigkeitserklärung, die Werte der repräsentativen Demokratie und die Fähigkeit eines jeden Volkes, sich selbst zu regieren. Lincoln personifiziert die Einheit der Nation.“ Heideking nennt darüber hinaus als „große Präsidenten“ Woodrow Wilson und Franklin D. Roosevelt und fährt fort „Nimmt man diese Männer in den Blick, dann müsste der ‚ideale Präsident’ gleichzeitig Staatsmann, Regierungschef, Parteiführer, politischer Denker und Militärstratege sein.“

Das aber waren die Wenigsten. Die meisten waren ziemlich durchschnittliche Leute, die auf Grund sehr verschiedener, nicht immer klarer Auswahlkriterien ins Amt kamen. Dies Buch, das sie alle behandelt, kann vor allem als informatives Nachschlagewerk dienen: Wer wissen will, wer etwa James Monroe (der mit der nach ihm benannten Doktrin) oder John Quincy Adams, John Tyler oder Grover Cleveland, Warren Harding oder Calvin Coolidge waren, der kann sich kurz und zuverlässig informieren.

Heideking und Mauch haben den 22 einzelnen Autoren — allesamt Amerikanisten und offenbar mit den jeweiligen Epochen besonders vertraut — sichtlich ein paar Vorgaben gemacht: Den kurzen biografischen Angaben folgen eine Darstellung ihrer Leistungen und der Zeitumstände, unter denen sie erbracht wurden, eine Einordnung in den größeren Zusammenhang der Geschichte einer „werdenden“ und später „imperialen“ Nation und auch eine Bewertung, in der die positiven Aspekte ihres Tuns und, so unumgänglich, die negativen behandelt werden.

Das Bemühen um „Ausgewogenheit“ bleibt spürbar. Lange Zeit galt den Amerikanisten Ulysses S. Grant, ein General aus der Bürgerkriegszeit, der gleichwohl von 1869-1877 regierte, als der wohl am wenigsten geeignete Präsident, obwohl doch für diese Einschätzung auch noch einige andere in Frage kommen würden, aber nun steht ohne Wenn und Aber George W. Bush an der Spitze der Negativskala, auch er hat zwei ganze „terms“ gehabt. Lyndon B. Johnson wird für seine innenpolitischen Leistungen, etwa die Durchsetzung einiger wichtiger Rassen- und Sozialgesetze zwar gelobt, doch überschattet der Vietnam-Krieg das positive Bild seiner Präsidentschaft, so wie das von Richard M. Nixon von dessen Verschlagenheit verdunkelt wird.

Die weit verbreitete Vorstellung vom US-Präsidenten als einem „Souverän auf Zeit“, muss man korrigieren. Das schon unter George Washington ausgebildete System der checks and balances ließ keinem eine andere Wahl, als sich mit dem Parlament und dem Repräsentantenhaus ins Benehmen zu setzen. Nur Notzeiten waren stets „die Stunde der Exekutive“, in friedlichen Zeiten blieb Präsidenten oft nur das Vetorecht, das die beiden Kammern mit einer Zweidrittelmehrheit überstimmen können. (Was freilich nicht häufig geschah.)

Diese Sammlung von Porträts ersetzt keine „Amerikanische Geschichte“, aber sie trägt dazu eine Menge bei. Es zeigt, wie viel Gewalt im Spiel war im Laufe dieser Geschichte, wie oft Einzelinteressen gute Vorsätze scheitern ließen, wie blutig zuweilen die Ausdehnung der Gründerstaaten vor sich gegangen ist: da ist von Kriegen die Rede: gegen Mexiko, Frankreich und natürlich England. Theodore Roosevelts (zwei Amtszeiten von 1901-1909) sprichwörtliche imperiale Politik der „carrots and sticks“, von Gewalt und Überredung, war geprägt von den Spannungen, aus denen sich das „moderne Amerika“ als Weltmacht erhob.

Einige Korrekturen an zumindest hierzulande verbreiteten Ansichten sind in diesem Buch zu finden, so wird Herbert C. Hoovers (1929-33) „Untätigkeit“ während der großen Wirtschaftskrise ebenso relativiert, wie der „Aufbruch“ während John F. Kennedys kurzer Amtszeit, „Camelot“ — das ist doch eher ein Mythos. Er zeigt freilich, wie sehr charismatische Präsidenten in der Geschichte einer Nation den Unterschied machen. Einige der entscheidenden Entwicklungen kommen, da das Buch sich eben auf die Präsidenten konzentriert, zu kurz, so die Landnahme im Westen und Süden der USA, die Abschiebung der indianischen Urbevölkerung in „Reservate“ (an die eher Hollywood erinnert als die Geschichtsschreibung) oder die bis in unsere Gegenwart schwärende Wunde der Rassendiskriminierung. Lincolns Bürgerkrieg, Nord gegen Süd, war eben nicht nur ein Kampf gegen die menschenunwürdige Sklaverei, sondern auch der Kampf zwischen den frühindustriellen und finanziellen Interessen der Union und den agrarischen der „Konföderation“.

Es bleibt abzuwarten, ob die Wahl des ersten „schwarzen“ Präsidenten im November 2008 diese Wunde endgültig schließt. Hoffen immerhin darf man es. Fast stets in besonders prekären Situationen hat die amerikanische Bevölkerung die „richtige Wahl“ getroffen (wenn auch manchmal sehr knapp): von Jefferson über Lincoln bis zu Franklin D. Roosevelt und Barack Obama. Eine Wahl, die die oft gefährdete „Demokratie“ als entscheidendes Signum dieser Nation bestätigte.

Am Schicksal der inzwischen 44 amerikanischen Präsidenten ist es zu zeigen: dieses Buch leistet diese Lektion, unterstreicht sie durch hervorragendes statistisches Material und eine sehr gute Literaturliste zum weiteren Studium.

Literaturangabe:

MAUCH, CHRISTOF: Die amerikanischen Präsidenten. 44 historische Portraits von George Washington bis Barack Obama. Fünfte, fortgeführte und aktualisierte Ausgabe. C. H. Beck Verlag, München 2009. 518 Seiten, 19,90 €.

Weblink:

C. H. Beck Verlag

Roland H. Wiegenstein arbeitet als freier Literatur- und Kunstkritiker für dieses Literaturmagazin. Er lebt in Berlin und Italien


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