Von Susanna Gilbert-Sättele
Titania Hardie, Australierin englisch-italienischer Abstammung und „weiße Hexe“ der dritten Generation, hat sich bislang mit Sachbüchern über Magie („Hocus Pocus“) ein Lesepublikum erobert. Nun legt die fantasiebegabte und in Astrologie, Numerologie, im Lesen von Tarotkarten und im Hellsehen bewanderte Autorin ihren ersten Roman vor, den sie üppig mit ihrem Wissen angereichert hat. „Das Labyrinth der Rosen“ ist Liebesgeschichte und Thriller in einem, mit vielen Verweisen auf Alchemie, Parapsychologie, Okkultismus, aber auch mit interessanten Fragen, die die moderne Wissenschaft bis heute nicht beantworten kann. Zugleich fasst Hardie ein heißes Eisen an: das christliche Sektierertum, das sich in seiner Militanz, seiner Menschen- und Lebensverachtung in nichts vom Fundamentalismus anderer Religionen unterscheidet.
„Wer will sich letztendlich schon ein Urteil darüber anmaßen, welche Art des Sehens wahr und welche nur Einbildung ist?“ Dass ausgerechnet der nüchtern denkende Arzt Alex diese Frage am Ende des Romans stellt, lässt erahnen, wie erstaunlich die Erfahrungen sind, die er zuvor gemacht hat. Er hat sich ausgerechnet in Lucy verliebt, der – ob zufällig oder nicht – das Herz seines Bruders Will eingepflanzt wurde. Und er ist mit ihr einen geheimnisvollen Weg gegangen, um nicht nur den Tod des Bruders als Mord zu enttarnen, sondern auch, um eine Reihe kryptischer Handschriften, die schon seit 17 Generationen im Besitz seiner Familie waren, zu enträtseln und das passende Schloss für einen ererbten silbernen Schlüssel zu finden.
Angetrieben von Lucys Intuition führt dieser Weg das Paar in das Sommerhaus von Alex Familie in Frankreich und weiter in die imposante Kathedrale von Chartres. Mit Hilfe von Freunden und trotz der Verfolgung durch einen christlich-fundamentalistischen Geheimbund kann das Paar allmählich Zusammenhänge herstellen zwischen Texten, Schlüssel und John Dee (1527-1608), einem der größten Gelehrten seiner Zeit. Der englische Mathematiker, Astrologe, Astronom und Berater von Königin Elisabeth I. gilt als Repräsentant einer Zeit, in der Wissenschaft und Magie erstmals getrennt wurden. Als seine Nachkommen ist es Alex und Lucy bestimmt, Dees Erbe zu bewahren.
Phänomene wie Seelenverwandtschaft und -wanderung, Wahrsagung, Mystik und Metaphern sowie Exkurse zu Isaac Newton und Giordano Bruno bereichern den kunstvoll ausgedachten Roman, auch wenn Hardie ihre Leser hier und da mit ihrem Wissen überfordert.
Hardies Sprache ist trotz einiger Trivialitäten („Du hast meine Seele wachgeküsst“) geschliffen, ihre Dialoge sind überzeugend, und sie überrascht selbst routinierte Mystery-Leser mit neuen Ideen. Insbesondere die Frage, ob mit einem Spenderherzen auch die Gefühls- und Erfahrungswelt des Spenders transplantiert wird („zelluläres Gedächtnis“) regt zum Nachdenken an. Eine zusätzliche Herausforderung für Rätselfans dürften die angehängten geheimnisvollen Schriften sein, die auch die Romanhelden kaum zu lösen vermochten.
Literaturangaben:
HARDIE, TITANIA: Das Labyrinth der Rosen. Diana Verlag, München 2008. 514 S. m. Anh., 21,95 €.
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