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„Manchmal helfen keine Pillen“

„Doktor Erich Kästners lyrische Hausapotheke“ als Neuauflage

© Die Berliner Literaturkritik, 23.12.09

Von Tina Rath

Draußen, vorm Wohnzimmerfenster, ist es Herbst. Es regnet, und wer rausgeht, wird krank. Die Schaufenster der Apotheken sind vollgestopft mit Präparaten gegen Halsschmerzen, Husten und Schnupfen, und auch gegen die Grippe wird geimpft. Aber was ist mit der Melancholie, die der Herbst im Gepäck hat? „Was soll einer einnehmen, den die trostlose Einsamkeit des möblierten Zimmers quält oder die nasskalten, nebelgrauen Herbstabende?“, fragt Erich Kästner im Vorwort zu seinem Gedichtband „Doktor Erich Kästners lyrische Hausapotheke“.

Zugegeben: Die wenigsten von uns wohnen heute in möblierten Zimmer zur Untermiete bei einer alten Dame. Aber als der Band erschien, 1936 nämlich, lebten viele Junggesellen so. Vieles hat sich verändert seitdem (zum Glück), aber vieles bleibt. Auch im WG-Zimmer zwischen Ikea-Möbeln, im schicken Loft oder in den Townhouses können sie einen packen, die Melancholie, die Einsamkeit, der Liebeskummer. Dagegen Antidepressiva zu schlucken, hieße, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Kästners Gedichtsammlung ist da eine gute und preiswerte Alternative.

Die Gedichte kommen wunderbar leicht daher. Da dräut es nicht bedeutungsschwanger auf den Seiten; Kästners Sprache ist einfach und klar, die Rhythmen haben oft etwas Volksliedhaftes, und die Texte bleiben meist in der Schwebe zwischen Heiterkeit und Melancholie. Kästner jammert nicht, aber er pflegt auch nicht diesen naiven „Wird-schon-wieder“-Optimismus, der, wenn uns trübe Gedanken plagen, so ziemlich das Letzte ist, was wir brauchen können. Er hilft uns, indem er Stimmungen, die wir alle kennen, mit viel Sprach- und Zartgefühl auf den Punkt bringt.

Seinem Gedichtband hat er ein Register der „Krankheitssymptome“ vorangestellt, das von A wie „Alter“ (das uns plagt) bis Z wie „Zeitgenossen“ (über die wir uns ärgern) reicht. Unter dem jeweiligen Stichwort findet der Leser die Seitenzahlen der Gedichte, die Kästner zur Behandlung empfiehlt. Also ab in den Lesesessel, eine heiße Milch mit Honig gegen die Kälte trinken – und Kästner lesen. Gute Besserung! Aber Vorsicht: Diese Gedichte machen garantiert süchtig – und gehören gerade deshalb in jeden Haushalt.

Literaturangabe:

KÄSTNER, ERICH: Doktor Erich Kästners lyrische Hausapotheke. Atrium Verlag, Zürich 2009. 207 S., 19,90 €.

Weblink:

Atrium Verlag

 


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