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Margarethe Krupp

Die Urenkelin erzählt

© Die Berliner Literaturkritik, 09.07.09

MÜNCHEN (BLK) – Im November 2008 ist bei dtv die Biographie „Margarethe Krupp. Das Leben meiner Urgroßmutter“ von Diana Maria Friz erschienen.

Klappentext: 1902 stirbt überraschend Friedrich Alfred Krupp, Chef des gleichnamigen Weltunternehmens - auf dem Höhepunkt des Capri-Skandals, der das Kaiserreich erschütterte. Man wirft Krupp Homosexualität vor. Seine Witwe Margarethe muss nicht nur mit ihren eigenen Gefühlen fertig werden, sondern auch dafür sorgen, dass weder ihre halbwüchsigen Kinder noch die Firma Krupp Schaden nehmen.

Sie ist die Tochter einer kinderreichen Beamtenfamilie, zwar von altem Adel, aber ohne jedes Vermögen. Schon als halbes Kind war sie für ihre Geschwister verantwortlich, später arbeitete sie als Gouvernante. Mit 28 heiratete sie den Erben des Krupp-Konzerns und zog in den feudalen Industriellenhaushalt ein, an dessen Spitze noch der patriarchalische Schwiegervater stand.

Auf der Basis zahlreicher, bisher unveröffentlichter Briefe und Dokumente und illustriert mit vielen Privatfotos aus dem Familienarchiv erzählt die Urenkelin Diana Maria Friz die Geschichte dieses außergewöhnlichen Frauenlebens. (ber/rud)


Leseprobe:

 
©dtv©

Seitdem ich ein kleines Mädchen war, hat mich meine Urgroßmutter fasziniert. Als ich zwölf Jahre alt war, feierte meine Großmutter Bertha von Bohlen ihren 70. Geburtstag auf dem Hügel mit ihrer Schwester, ihrer beider Kindern und Enkeln. Es war ein großes Fest, denn wir sind eine große Familie. Ich erinnere mich genau daran, wie sehr es mich beeindruckte, dass die Großmama, meine Mutter Waldtraut, meine Schwester und ich drei Generationen weiblicher Familienmitglieder verkörperten. Die vierte hing in Form eines großen repräsentativen Bildes in der Unteren Halle des Hügels. Ich stand in meinem weißen Spitzenkleidchen davor, die ungeliebte und wenig kleidsame Brille auf der Nase, und sah Margarethe genau an. Ich fand ihre Züge streng, aber ihre dunklen Augen schienen in mich hineinzusehen. Apart war das Wort, das mir zu ihr einfiel, denn schön in dem Sinne, wie es die Großmama, meine Mutter und auch meine Schwester waren, fand ich sie nicht. Das machte sie mir schon sympathisch, denn auch ich fand mich nicht schön, hoffte aber sehr, eines Tages ebenfalls apart zu sein. Leider sind wir keine kommunikative Familie, und erst im Laufe vieler Jahre konnte ich Erinnerungen von Menschen sammeln, die in mir ein Bild von Margarethe entstehen ließen. Meine Mutter war erst elf Jahre alt, als Marga starb, sie erinnerte sich nur an ganz wenig. Ergiebiger waren die Erzählungen der Gesellschafterin meiner Großmutter, Christel Kronen, die zumindest Margarethe als alte Dame gut kannte und auch mit Fräulein Brandt, ihrer Gesellschafterin, befreundet war. Den Mut, die Großmama nach ihrer Mutter zu fragen, brachte ich nicht auf, solange sie noch lebte. Aus dem Wenigen, das man mir erzählte, fiel vor allem auf, was man mir alles NICHT erzählte. Der Tod meines Urgroßvaters Friedrich Alfred Krupp war offenbar ein absolutes Tabuthema. Auch über die Jugend Margarethes und ihre Familie erfuhr ich nichts. Aber, wie gesagt, wir sind keine kommunikative Familie.

Im Laufe meines Lebens erschienen mehrere Bücher, die sich mit meiner Familie beschäftigten. Eines davon hat der amerikanische Journalist William Manchester geschrieben. Es fand weltweit Verbreitung, obwohl es von Fehlern nur so wimmelt. In dem Familienarchiv auf dem Hügel reihen sich Ordner an Ordner mit Aussagen wütender Zeitzeugen, die Zeugnis ablegen für die vielen Fehler und Falschaussagen in diesem tendenziös gefärbten Buch. Auch in den anderen Veröffentlichungen der vergangenen Jahre fand ich meine Vorstellungen nicht widergespiegelt.

Nichtsdestotrotz traue nun auch ich mich an ein Familienthema, und sicherlich werden sich in meinem Buch ebenfalls Fehler finden lassen. Aber zumindest der Grundtenor meines Buches ist von Respekt vor der historischen Wahrheit und Sympathie für meine Familie geprägt. Mein Vorhaben unterscheidet sich auch dadurch von dem anderer Autoren, dass mein Hauptaugenmerk dem täglichen Leben meiner Urgroßmutter gilt. Margarethes Wirkungskreis war von Kindheit an von der Sorge um ihre Familie und die vielfachen Probleme der Haushaltsführung geprägt. Ich versuche darzustellen, dass dies eine Konstante in jedem ihrer Lebensabschnitte war.

Ich habe zusammengetragen, was ich an Quellen und originalen Aussagen meiner Urgroßmutter finden konnte, und die Lücken in dem Sinne gefüllt, wie sie mir am wahrscheinlichsten waren. Dabei berufe ich mich auf so etwas Unpräzises wie die Familientradition. Jeder Wissenschaftler wird jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, und damit hat er recht. Trotzdem habe ich diesen Weg gewählt, damit Margarethe für uns Heutige verstehbar wird und vor unseren Augen lebendig erscheint.

Bei meiner Forschungsarbeit konnte ich glücklicherweise auf eine Fülle unveröffentlichten Materials zurückgreifen. Im Umfeld von Margarethes 70. Geburtstag gaben ihre Kinder eine Biografie in Auftrag, die im Historischen Archiv Krupp als Typoskript vorliegt. Sie basiert auf schriftlichen Aufzeichnungen Margarethes2 und auf einigen wenigen persönlichen Gesprächen mit ihrer Biografin. Ebenfalls noch zu Margarethes Lebzeiten verfasste der Hausarchivar, Wilhelm Berdrow, eine Biografie über ihren Mann, Friedrich Alfred Krupp, in der viele interessante Informationen zu Margarethe enthalten sind. Eine weitere wichtige Quelle sind die Briefe Alfred Krupps an seine Frau Bertha Eichhoff, die handschriftlich im Archiv vorliegen. Sie geben Einblick in das Eheleben von Margarethes Schwiegereltern, das auf ihre eigene Ehe großen Einfluss hatte. Margarethe war eine treue Freundin. Sie führte einen regen Briefwechsel, der eine wahre Fundgrube für meine Arbeit war. Im Archiv finden sich die Briefe an die Jugendfreundin Gertrud Decke und die Briefe ihrer ehemaligen Schülerin, der Prinzessin Alexandra von Anhalt. Eine für mich höchst vergnügliche Lektüre waren die Erinnerungen einer ehemaligen Köchin in der Villa Hügel. Sie hat sie als alte Frau diktiert und sicherlich idealisiert. Trotzdem geben sie einen lebendigen Einblick in die Welt im Souterrain der Villa Hügel, die zu Margarethes Einflussbereich gehörte. Die Beschreibungen des ehemaligen Zustandes der Villa Hügel samt ihren Nebengebäuden und Parks verdanke ich dem wunderbaren Bildband von Tilmann Buddensieg.

Skandalumwittert bleiben bis heute die Geschehnisse auf Capri. Dabei sind die Vorgänge dort, die sich zwischen 1898 und 1902 abspielten, erschöpfend erforscht. Ich beziehe mich in meiner Darstellung im Wesentlichen auf das kenntnisreiche und einfühlsame Buch von Carlo Knight, das 2002 erschienen ist und den Forschungsstand komplett erfasst. Leider gibt es im Archiv keinerlei Briefe oder sonstige Unterlagen zu dem Tod von Margarethes Ehemann. Auch Recherchen in anderen Archiven haben nichts ergeben. Margarethe selber, später ihre Tochter Bertha und ihr Schwiegersohn Gustav von Bohlen und Halbach, haben dafür gesorgt, dass nichts Privates oder Kompromittierendes aufgehoben wurde. Umso üppiger sprießen bis heute die Gerüchte. Wer völlige Aufklärung aller Geheimnisse von diesem Buch erwartet, wird enttäuscht werden. Unwägbarkeiten und Mehrdeutigkeiten gehören zu unser aller Leben, und nicht immer kann in Gefühlsdingen alles säuberlich analysiert und dargestellt werden. Wer sich in meine Heldin hineinversetzen mag, wird sich trotzdem vorstellen können, was wirklich geschehen ist.

©dtv©

Literaturangabe:

FRIZ, DIANA MARIA: Margarethe Krupp. Das Leben meiner Urgroßmutter. dtv, München 2009. 448 S., 19,90 €.

Weblink

dtv


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