Von Susanna Gilbert-Sättele
Marina Lewycka hat spätestens mit ihrem internationalen Bestseller „Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch“ bewiesen, dass sie Unterhaltung und Humor mit Anspruch zu verbinden versteht. Jetzt hat die Britin ukrainischer Abstammung, die nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Flüchtlingslager in Kiel das Licht der Welt erblickte, ein weiteres Werk vorgelegt. „Das Leben kleben“ liest sich als kurzweiliges Plädoyer für Toleranz, mit der sich nach Lewyckas Überzeugung auch die größten Probleme lösen lassen. Die Botschaft kommt an: Auch dieser Roman hat die Bestellerlisten erobert.
Georgie Sinclair, Mitarbeiterin eines Klebstoff-Fachmagazins, hat ihren Mann aus dem Haus geworfen. Als sie gerade dessen Habseligkeiten in einem Müllcontainer vor ihrem Haus am Rande Londons entsorgt, trifft sie Mrs. Shapiro, ein skurrile Dame weit über neunzig, die, mit einem alten Kinderwagen bewaffnet, ständig die Straßen auf der Suche nach etwas Brauchbarem durchstreift. Die alten Bücher, aber mehr noch die klassischen Schallplatten von Georgies Ehemann finden in ihr eine begeisterte Abnehmerin. So beginnt an einem Müllcontainer zwischen den beiden so unterschiedlichen Frauen eine Freundschaft fürs Leben - mit ungewöhnlichen Höhen und Tiefen.
Als die betagte Jüdin ihre neue Freundin Georgie bittet, während eines kurzen Krankenhausaufenthalts auf ihr verfallenes Haus inmitten eines verwilderten Gartens aufzupassen, nimmt die Geschichte Fahrt auf. Gleich bei ihrem ersten Versuch, die Behausung gegen korrupte Makler und habgierige Sozialarbeiter zu verteidigen, die es auf die Villa abgesehen haben, setzt sich Georgie voll in die Nesseln. Und dann ist der beauftragte Handwerker auch noch ein Palästinenser - dass das nicht gut gehen kann und für mancherlei Verwicklungen sorgt, liegt auf der Hand. Man fühlt sich an die Friedensgespräche im Nahen Osten erinnert, wenn der Jude Chaim und der Palästinenser Ali um die Aufteilung des Hauses von Mrs. Shapiro streiten. „Das Problem mit euch Arabern ist“, sagt Chaim, „ihr sucht euch immer schlechte Anführer aus.“ „Weil ihr Juden alle Guten ins Gefängnis steckt“, kontert Ali.
Das Zusammentreffen unterschiedlichster Menschen und Lebenseinstellungen macht den Charme der Geschichte aus. Kleber, dafür ist Fachredakteurin Georgie Spezialistin, hält hier im übertragenen Sinne vieles zusammen. Marina Lewycka hebt gleichwohl nie den moralischen Zeigefinger. Ernst, aber immer unterhaltsam lässt sie die Protagonisten politisch argumentieren. Dabei fehlt es nicht an Schärfe, allerdings nur als Mittel zum Zwecke der Aufklärung darüber, dass ein Zusammenleben unterschiedlichster Gruppierungen, Religionen und Völker nur funktionieren kann, wenn sich jeder engagiert und mehr Toleranz für den anderen aufbringt. Der Roman macht Mut, Fremden zu vertrauen.
Literaturangabe:
LEWYCKA, MARINA: Das Leben kleben. Deutscher Taschebuch Verlag, München 2010. 460 S., 14,90 €.
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