Von Frauke Kaberka
Wie jüdisch muss, darf oder will ein Jude sein? Die Antwort kennt vermutlich auch Maxim Biller nicht - außer für sich selbst. Er will Jude sein, nicht religiös jüdisch oder politisch jüdisch, einfach nur jüdisch. In Deutschland. Ausgerechnet in Deutschland. Denn hier sieht er sich als „Der gebrauchte Jude“ - der den Deutschen hilft, „nach sorglosen Jahren der Selbstverleugnung sie selbst zu sein“. Ganz schön eingebildet.
Sein jetzt erschienenes Selbstporträt „Der gebrauchte Jude“ ist zweifellos voller Eitelkeit, aber auch voll Selbstironie. Und dabei herrlich bissig, ja böse. Dass sein letzter Roman „Esra“ wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten verboten wurde, hindert Biller indes nicht daran, erneut auszuteilen. Und dabei schont er weder Lebende noch Tote. Selbst das Denkmal Thomas Mann möchte er vom Sockel stoßen - wegen seines angeblich schlecht verhehlten Antisemitismus'. Auch Juden bekommen ihr Fett weg, und das nicht zu knapp.
Biller, 1960 in Prag geboren, lebt seit seinem zehnten Lebensjahr in Deutschland. In seinem neuen Roman erzählt er von sich und dem schwierigen Unterfangen, seinen Platz in der Welt und in der Literatur zu finden. Es sind verwirrende und mitunter auch verworrene Gedanken, mit denen er verschiedene Lebensabschnitte verbindet, zu denen er scheinbar wahllos springt. Daher will er sein Buch auch eher als Selbstporträt denn als Autobiografie sehen. Denn das lässt mehr künstlerische Freiheit zu.
Natürlich beschreibt er knapp seinen bisherigen Werdegang: vom Emigrantenkind zum erfolgreichen Autor von Essays, Romanen, Theaterstücken und Kurzgeschichten, von seiner Arbeit als Journalist bei angesehenen Blättern wie „Die Zeit“ oder der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Er berichtet von seinen Lang- oder Kurzzeitfreunden, von seiner Drei-Jahres-Beziehung und andeutungsweise von seiner Tochter. Dabei bewegt er sich hauptsächlich in den 80er und 90er Jahren. Was aber vor allem hängenbleibt, sind die gedanklichen oder verbalen Auseinandersetzungen mit Verwandten, Bekannten, geistigen Freunden oder Gegnern, darunter der (jüdische) Literaturkritiker Marcel Reich- Ranicki.
Ist es Eitelkeit oder Einsicht, wenn der Autor schreibt: „Jemand wie ich war in Deutschland nicht vorgesehen“? Wohl beides, denn einerseits gefällt er sich in der Rolle des Außenseiters, der sich hin und wieder auch mal sagen lassen muss, dass er ein „jüdischer Nazi“ sei. Andererseits tut er sich schwer damit zu erläutern, warum er lieber in Deutschland als in Israel lebt. Seine Rolle als „gebrauchter Jude“ erklärt nicht alles, sein selbst inszeniertes Image als Enfant terrible der literarischen (und jüdischen) Szene vielleicht eher. Ob seine Leser ihn nach der Lektüre so sehen, wie er sich selbst, sei dahin gestellt. Sicher aber ist, dass sie - sofern sie keine Scheu vor einer zynischen Betrachtung Deutschlands, Israels und des Judentums haben - hingerissen sind: von der federleichten Sprache, dem aufsässigen Stil, der subtilen Komik, dem intellektuellen Anspruch. Das wird selbst der anerkennen, der einige (oder auch alle) Ansichten Billers nicht teilt.
Literaturangabe:
BILLER, MAXIM: Der gebrauchte Jude. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2009. 174 S., 16,95 €.
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