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Glaube an Erlösung, Hoffnung und Glück

Colum McCann: Ich glaube an den Sieg des Geistes über Unglück

© Die Berliner Literaturkritik, 19.11.09

HAMBURG (BLK) - Für seinen New-York-Roman „Die große Welt“ ist Colum McCann in der Nacht zum Donnerstag (19.11.) mit dem National Book Award ausgezeichnet worden. Der Autor arbeitete als Journalist, Farmarbeiter und Lehrer, reiste durch Asien, Europa und Amerika, bevor er sich vor 15 Jahren mit seiner Frau, einer New Yorkerin, in der Stadt am Hudson River niederließ. Seither widmet er sich in Werken wie „Der Himmel unter der Stadt“ (1998) und „Der Tänzer“ (2003) immer wieder existenziellen Fragen. In „Die große Welt“ (Rowohlt Verlag) ist 9/11 indirekt allgegenwärtig: McCann zeigt die Stadt, die niemals schläft, als unsterblichen Mikrokosmos des Leidens, der Kraft und der Hoffnung. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa sprach der in Dublin geborene 44-Jährige über sein Buch und seine Botschaft.

Ihr überwiegend 1974 in politisch schwierigen Zeiten – angesiedelter Roman beginnt mit einer so magischen wie wahren Szene zwischen den Twin Towers: Der Seiltänzer Philippe Petit hatte dort in luftiger Höhe seine Künste vorgeführt. Ein Bild für die ewige Fähigkeit des menschlichen Geistes, mittels Poesie über Abgründe zu triumphieren?

McCann: „So kann man das sagen. Was Petit getan hat, ist für mich ein spektakulärer Schöpfungsakt. So kühn und mutig er war, er hat Schönheit und Kunst geschaffen. Was 27 Jahre später geschah, war ein Akt der Vernichtung, der Bösartigkeit, todbringend für Tausende. Mein Buch ist in erster Linie eine ästhetische Untersuchung von Genesung: wie wir von 9/11 genesen und wie wir diese winzig kleinen Momente der Gnade finden, die uns passieren und die diese Welt wunderbar machen.“

Warum sind Sie bei allem Unglück in der Welt so optimistisch?

McCann: „Ich glaube an Erlösung, Hoffnung und die Möglichkeit von Glück - weil sich sonst das Leben nicht lohnen würde.“

Warum wählten Sie gerade New York als beispielhaften Ort für das, was Sie selbst als Kampf zwischen gut und böse bezeichnen?

McCann: „Ich wusste, dass ich einen 9/11-Roman schreiben muss. An jenem Tag war ich in New York, ich habe viele Freunde verloren. Mein Schwiegervater war in dem Turm, der zuerst getroffen wurde. Er konnte sich retten, lief staubverschmiert durch die Stadt zu uns nach Hause. Meine kleine Tochter fürchtete sich vor ihm und dachte, dass ihr Großvater von innen her brenne: Aus genau diesem Grund begann ich die Geschichte. Im übrigen liebe ich die Stadt in ihrer ganzen Vielfalt, Widersprüchlichkeit und Härte obwohl ich sie zunächst furchtbar fand und nur meiner Frau zuliebe hingezogen bin.“

In „Die große Welt“ geben Sie vor allem Menschen vom Rande der Gesellschaft eine Stimme - Armen, Obdachlosen, Drogensüchtigen, Prostituierten. Warum ist Ihnen das wichtig?

McCann: „Ich sah Menschen in dunklen, von Ratten infizierten Scheißlöchern hausen. Ich sah Menschen in Pappkartons liegen. Ich sah Menschen in düsteren Ecken des U-Bahn-Systems verdämmern. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Sie alle sagten wenn ich hier herauskomme. Keiner sagte jemals falls ich hier herauskommen sollte. Ich denke, das ist etwas ganz Elementares im menschlichen Geist egal, wie furchtbar die Umstände sind.“

Das Interview führte Ulrike Cordes.


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