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Mehr als Sex – Sophie Berlin schreibt über ihr Leben als glückliche Hure

„Freudenmädchen Sophie“ ist ein unterhaltsames Buch, das einem den Blick in eine Welt eröffnet, über die man so noch nicht gelesen hat

© Die Berliner Literaturkritik, 07.07.08

 

Prostitution – Sex gegen Geld. Leichte Mädchen, Zwang und Perversion. Kaum jemand, der nicht die schmuddeligen Geschichten aus der Presse von armen, ausgebeuteten Frauen und fiesen Zuhältern kennt. Das älteste Gewerbe der Welt ist behaftet mit Klischees, voller Vorurteile und Mutmaßungen.

Anders kommt nun das, als Autobiografie deklarierte, Buch von Sophie Berlin daher. Jenseits der gängigen Klischees gewährt sie Einblicke in ihren Alltag als Freudenmädchen, ein Beruf, der ihr gleichzeitig Berufung ist. Unbekümmert erzählt sie von anstrengenden Kunden, vielfältigen Sexpraktiken und den kulturellen Unterschieden und Eigenheiten des Gewerbes in anderen Ländern.

Eine „fröhliche Hure“ sei sie, sagt Sophie und betont dabei die Freude, die in dem fast vergessenen Wort „Freudenmädchen“ steckt. Seit zehn Jahren arbeitet sie im Gewerbe, freiwillig und aus Überzeugung. Ihr Einstieg in den Beruf ist sowohl klassisch wie einfach. Nach dem Ende einer Beziehung, auf der Suche nach einem Neuanfang, landet sie in der Puppenstube, einem Hauptstadt-Puff, in dem es zugeht wie auf einer Mädchen-Pyjamaparty. Hier macht sie die ersten Schritte in eine neue Welt, schläft mit den ersten Kunden, schließt Freundschaften mit den anderen Mädchen. Für sie ist es „wie in einem neuen Zuhause ankommen.“ Und von dieser neuen Welt will sie in ihrem Buch erzählen, von Stolz und Zusammenhalt der Mädchen, von Abenteuer, Romantik und dem Sinn der Prostitution.

So folgen dann auch Beschreibungen ihrer Puff-Tage. Schwierige Kunden, champagnergetränkte Nächte, Lachen und Zanken mit den Mädchen, gemeinsame Ausflüge in Clubs. Und vor allem bekommt sie was sie wollte: „viel Sex.“ Denn daran mangelt es nicht in diesem Buch. Detailliert werden die Spezialgebiete der Mädchen, Sado-Maso-Spielchen und Sex zu dritt beschrieben. Auch die einzelnen Kunden werden bedacht: der Minister, mit der Vorliebe für Blasmusik oder „Montagspeter“, der bezeichnenderweise die Puppenstube regelmäßig am ersten Wochentag beehrt.

All das erzählt Sophie Berlin frisch und unverkrampft. Manchmal wird es lustig, oft sinnlich, vor allem voyeuristisch. Gerade was die Abläufe im Bordell angeht, schafft sie die Gradwanderung zwischen Erotik und sachlicher Beschreibung. Leider ist die Sprache dabei oft zu einfach, zu unbearbeitet, wirkt nur über das, was erzählt wird.

Was stimmt, ist das Gefühl, die Neugier, die Lust auszuprobieren, zu entdecken. Sophie lernt viel über Sex, über verschiedene Praktiken, über Vorlieben und immer wieder ist sie erstaunt „wie viel Spaß Arbeit machen kann“.

Und ihre Neugier treibt sie weiter. Als „Wanderhure“ kommt sie nach Tokio, wo es in den Hostess-Clubs keinen Sex, aber Karaoke gibt, wo sie ihr „Kopfkissengeld“ in Bade-Puffs und Love-Hotels verdient und auf absurde Fetische und kulturelle Missverständnisse trifft. In Sydney dann verschlägt es sie in ein Edelbordell, wo der Sex sich wahlweise im ägyptischen-, Kolonial- oder Disco-Zimmer abspielt.

Die Beschreibungen der länderspezifischen sexuellen Eigenheiten erlauben Einblicke, die man so woanders kaum erfahren dürfte, und sie machen das Erzählte anschaulich, wirken die Darstellungen von immer neuen Praktiken, Kunden und Vorlieben auf Dauer doch etwas langatmig und spannungsarm.

Am Ende kehrt Sophie nach Berlin zurück. Der Zauber des Anfangs ist verflogen, der Job wird zum Alltag und sie um die Erkenntnis reicher, dass auch im Gewerbe nicht ausschließlich der sexy Körper zählt, sondern eine gehörige Portion gesunder Menschenverstand, ein großes Herz und jede Menge Humor nötig sind. Und so sind es dann auch die „Anderen“, die Sophie im letzten Teil des Buches bedenkt. Die Gehemmten, die Schüchternen, der „Streichelossi“ und „Schwanzmicha“. Alle die, die körperliche oder geistige Defizite haben oder einfach nur spezielle sexuelle Vorlieben, die sie sonst nirgendwo ausleben können.

Dabei stellt sie niemanden bloß, betrachtet nicht das Traurige, manchmal Peinliche in den Vorgängen, sondern ist vielmehr erstaunt über die Dankbarkeit und Normalität, dieser doch so „anderen“ Kunden. Mit ein wenig zu viel Pathos kommt es daher, wenn sie sich deshalb als kulturelle Botschafterin beschreibt und Huren zu Heldinnen stilisiert, doch die Aussage ist deutlich: die Aufgabe der Prostitution geht weit über das Sexuelle hinaus.

Was Sophie Berlin geschrieben hat ist ein kleines Buch. Sie lässt den Leser teilhaben an ihrem Leben als Hure. Von den Anfängen in der Puppenstube, über ihre Wanderjahre, bis zur Heimkehr in die Hauptstadt.

Ihr Ton dabei ist frisch, jung und unverkrampft. Was fehlt, ist das Gefühl für Sprache, zu oft holpert es, wirkt unbearbeitet, wie hingerotzt, sind es die Plattitüden, allzu Pathetisches, das die Lust am Lesen stört. Das Erzählte wirkt hauptsächlich durch die Wahl des nicht alltäglichen Themas, durch Sex. Aber dies ist keine hohe Literatur. Und vor allem ist dies keine Autobiografie. Nichts erfährt man über die Herkunft des Mädchens mit dem Künstlernamen Sophie, nichts über ihre Interessen, ihr Privatleben und bewusst nichts über die negativen Seiten der Prostitution. Dies nimmt der Darstellung ihre Vollständigkeit, malt eine Welt in rosarot.

Doch Vollständigkeit ist auch nicht der Anspruch dieses Werkes. Und so sehen wir es als das, was es ist, eine Sammlung von ausgewählten Anekdoten aus dem Leben des Freudenmädchens Sophie, eine ausschnitthafte Darstellung der Arbeit im horizontalen Gewerbe, frisch, warmherzig und unverkrampft erzählt. Ein kleines Buch, kurzweilig und unterhaltsam, das einem den Blick in eine Welt eröffnet, über die man so noch nicht gelesen hat.

Von Mascha Nicksch

Literaturangaben:
BERLIN, SOPHIE: Freudenmädchen Sophie. Autobiographie. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2008. 197 S., 9,90 €.

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