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„Mein Heine“ von Marcel Reich-Ranicki

Heinrich Heine als Lyriker, Erzähler und Autobiograph

© Die Berliner Literaturkritik, 11.12.09

Von Stephanie Tölle

Der Literaturpapst Deutschlands hat ein kleines Heinrich Heine-Lesebuch zusammengestellt und erklärt in seinem kurzen Vorwort warum: zunächst einmal erinnert sich Marcel Reich-Ranicki an seine Schulzeit am Berliner Fichte Gymnasium. Damals lernte man noch aus einem Deutschlehrbuch der Weimarer Republik. Daraus wurde Heinrich Heine jedoch in den 1930er Jahren verbannt. Den Schülern war dieser Verlust sehr wohl bewusst. Außerdem erzeugte das Verbot bei ihnen, und Reich-Ranicki im Besonderen, erst recht Interesse an den Texten des jüdischen Dichters.

Für Marcel Reich-Ranicki galt und gilt Heinrich Heine seitdem nicht nur wegen seiner traurigen Liebeslyrik aus dem „Buch der Lieder“ oder als Volksdichter der „Loreley“. Er stellt ihn in diesem Bändchen auch als brillanten Erzähler und Autobiographen vor. Zwar sah sich Heine selbst nicht zum Erzähler berufen, doch Reich-Ranicki ist da anderer Meinung. Er hält Heines „Der Rabbi von Bacherach“ für große Erzählkunst. Und tatsächlich bildet die Trias aus Lyrik, Erzählung und autobiographischer Rückblende eine ideale Schau auf Heines Repertoire.

Zudem hat Heinrich Heine mit seinem feinen, zuweilen bissig-polemischen und höchst treffsicheren Humor ein eigenes Genre begründet und gilt – nicht zuletzt auch für Reich-Ranicki – als Wegbereiter des modernen Journalismus. Der Heine-Bewunderer zieht Bilanz: seine Lyrik sei empfindsam und doch sarkastisch, seine Prosa leidenschaftlich und zugleich ironisch.

Heinrich Heines schonungslose Gesellschaftsdiagnose kam jedoch nicht von ungefähr: der Jude Heine stieß aufgrund seiner religiösen Zugehörigkeit immer wieder auf Grenzen und taube Ohren. Auch als konvertierter Christ blieb er allerorts fremd. Als wahrer Romantiker im Herzen distanzierte er sich von der gleichnamigen Epoche und deren Charakteristika. Heine fasste seine Zeit als eine ruhelose, von politischen Umbrüchen gezeichnete Epoche. Seine Heimatstadt Düsseldorf wurde von Herrscherhand zu Herrscherhand gereicht. Stete und Ruhe boten ihm da nur Natur und Dichtung. Man zählte Heine zum Jungen Deutschland. Seine Bücher und Zeitungsbeiträge stießen auf Unmut. Er war gezwungen, Deutschland zu verlassen und ins französische Exil zu gehen.

„Der alte Flussgott, Vater Rhein“, zeigte sich nicht, als Heine emigrierte und so begnügte er sich damit, ihm „eine Visitenkarte ins Wasser zu werfen“, heißt es in den Geständnissen. Heine warf seinen Pass in den Rhein und schrieb fortan auf Französisch. Von den meisten deutschen Philosophen und Dichtern seiner Zeit distanzierte er sich und blieb zeitlebens Einzelgänger. Arm und krank starb Heinrich Heine in seiner Pariser Wohnung in der Rue d' Amsterdam.

Ein glücklos Suchender blieb er, der noch als „lebendig Todter“ danach fragte, ob es denn nichts Neues gäbe und meinte: „Vielleicht ist diese Sonne selbst ein alter aufgewärmter Spaß, der mit neuen Stralen geflickt, jetzt so imposant funkelt!“

Marcel Reich-Ranicki ist jedenfalls beizupflichten: Heinrich Heine war seiner Zeit weit voraus und traf mit akrobatischem, gewitztem Wort ins Schwarze. Seine Schriften sind nicht nur ehrliche Zeitdokumente, sondern Fundgruben für Sprachliebhaber. Heine kannte seine „geistige Taille“ und konnte daher punktgenau über die „Schwatzsucht und Gewissensbissigkeit“ der Weiber und die „Hirntöpfe“ anderer spotten.

Literaturangabe:

REICH-RANICKI, MARCEL: Mein Heine. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2009. 22o S., 14,95 €.

Weblink:

Hoffmann und Campe Verlag

 


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