HAMBURG (BLK) – Die Textsammlung „Mein Heine“ wurde von Marcel Reich-Ranicki zusammengestellt und ist im Frühjar 2009 im Hoffmann & Campe Verlag erschienen.
Klappentext: Marcel Reich-Ranicki hat ein besonderes Lesebuch zu Heinrich Heine zusammengestellt. Der Band umfasst die für Reich-Ranicki persönlich wichtigen Texte zu diesem Schriftsteller, die Werke, die er vor allen anderen liebt, die ihn beeinflusst und geprägt haben. Er begründet seine Auswahl in einem Vorwort. „Heine glückte die Überwindung der Kluft zwischen der Kunst und der Wirklichkeit, zwischen der Poesie und dem Leben. So wurde er der bedeutendste Journalist unter den deutschen Dichtern und der berühmteste Dichter unter den Journalisten der ganzen Welt.“ (Marcel Reich-Ranicki)
Marcel Reich Ranicki, Jahrgang 1920, ist ein deutscher Publizist und gilt als der einflussreichste deutschsprachige Literaturkritiker der Gegenwart. Von1960 bis 1973 arbeitete er als Literaturkritiker der „Zeit“ und leitete von 1973 bis 1988 den Literaturteil der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Von 1971 bis 1975 war er Gastprofessor in Stockholm und Uppsala, seit 1974 ist er Honorarprofessor an der Universität Tübingen. Er erhielt zahlreiche akademische und literarische Preise und Auszeichnungen: die Ehrendoktorate der Universitäten Berlin, München, Utrecht und Uppsala sowie den Thomas-Mann-Preis, den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main und andere. (wer)
Leseprobe:
©Hoffmann & Campe Verlag©
Lebewohl!
Schöne Wiege meiner Leiden,
Schönes Grabmahl meiner Ruh,
Schöne Stadt, wir müssen scheiden, –
Lebe wohl, ruf ’ ich dir zu.
Lebe wohl, du heilge Schwelle,
Wo da wandelt Liebchen traut;
Lebe wohl! du heilge Stelle,
Wo ich sie zuerst geschaut.
Hätt’ ich dich doch nie gesehen,
Schöne Herzenskönigin!
Nimmer wär es dann geschehen,
Daß ich jetzt so elend bin.
Nie wollt’ ich dein Herze rühren,
Liebe hab’ ich nie erfl eht;
Nur ein stilles Leben führen
Wollt’ ich, wo dein Odem weht.
Doch du drängst mich selbst von hinnen,
Bittre Worte spricht dein Mund;
Wahnsinn wühlt in meinen Sinnen,
Und mein Herz ist krank und wund.
Und die Glieder matt und träge
Schlepp’ ich fort am Wanderstab,
Bis mein müdes Haupt ich lege
Ferne in ein kühles Grab.
An Carl ins Stammbuch
Anfangs wollt ich fast verzagen,
Und ich glaubt’ ich trüg’ es nie,
Und ich hab’ es doch getragen, –
Aber fragt mich nur nicht, wie?
Erwartung
Morgens steh ich auf und frage:
Kommt feins Liebchen heut?
Abends sink ich hin und klage:
Ausblieb sie auch heut.
In der Nacht mit meinem Kummer
Lieg ich schlafl os, wach;
Träumend, wie im halben Schlummer,
Wandle ich bei Tag.
Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen.
Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Vögel sangen,
Da hab ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen.
©Hoffmann & Campe Verlag©
Literaturangabe:
REICH, RANICKI: Mein Heine. Hoffman & Campe Verlag, Hamburg 2009. 220 S., 14,95 €.
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