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„Meinungsmache“ von Albrecht Müller

Ein Plädoyer für einen starken Sozialstaat

© Die Berliner Literaturkritik, 14.10.09

Von Klaus Koch

Private Vorsorge fürs Alter - kaum jemand zweifelt daran, dass sie als Ergänzung zur gesetzlichen Rente notwendig ist. Mehr als zwölf Millionen Riester-Verträge für eine private, aber vom Staat geförderte Zusatzrente sind seit 2001 abgeschlossen worden. Das alles ist nicht nur unnötig, sondern eine riesige Geldverschwendung, meint Albrecht Müller (71), Autor des Buches „Meinungsmache“ mit dem Untertitel „Wie Wirtschaft, Politik und Medien uns das Denken abgewöhnen wollen“. Er macht eine gezielte Desinformationskampagne dafür verantwortlich, dass sich die Finanzwirtschaft an der Privatrente eine goldene Nase verdiene - auf Kosten der Betroffenen.

Müller weiß, wie Meinungen „gemacht“ werden, denn er hat in früheren Jahren selbst daran mitgewirkt. Als Redenschreiber von SPD- Wirtschaftsminister Karl Schiller in der Großen Koalition der 60er Jahre und als Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt der SPD-Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt von 1972 bis 1983 hat Müller die öffentliche Meinung im Sinne der sozialliberalen Reformpolitik zu beeinflussen versucht. Später war er Abgeordneter im Bundestag, bevor er sich auf seine publizistische Arbeit konzentrierte.

Schon seit den 70er Jahren beobachtet Müller mit großem Misstrauen die Bemühungen einer neoliberalen Allianz aus mächtigen Wirtschaftskreisen, Politikern und Medien, dem Staat immer mehr Aufgaben zu entziehen und staatliches Vermögen zu privatisieren. Man hat es auf diesem Weg in Deutschland schon weit gebracht. Ausführlich dokumentiert der Autor, was schon alles an einstmals öffentlichem Vermögen „verscherbelt“ wurde - von der Post und der Postbank über die Bundesdruckerei bis zu Bundesanteilen an den Flughäfen in Hamburg und Frankfurt am Main - und was es für die Bürger als Verbraucher bedeutet, wenn sie Strom, Öl und Gas heute nicht mehr von ihren kommunalen Stadtwerken, sondern großen Konzernen beziehen, die damit reichlich Profit machen.

Müllers Thema ist im Grunde gar nicht so sehr die „Meinungsmache“, mit der interessierte Kreise solche Entscheidungen vorbereiten und ermöglichen, sondern die politische Richtung, in die sich unser Gemeinwesen in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat. Wäre es stattdessen den Vertretern eines starken Sozialstaates gelungen, die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen, würde sich der Autor über eine solche „Meinungsmache“ vermutlich nicht beschweren.

Ein Verdienst seines Buches ist die umfangreiche Darstellung der Zusammenhänge hinter vielen politischen Entscheidungen für weniger Staat und mehr Privatwirtschaft. Besonders die Aktivitäten der Bertelsmann-Stiftung und die finanziellen Hintergründe vieler angeblich neutraler Gutachten legt er detailliert dar. Müllers Fazit: „Nur ein Reicher kann sich einen armen Staat leisten.“ Das war schon die Maxime der Sozialdemokraten in den Zeiten Brandts und Schmidts.

Dazu nimmt er auch die Argumentation für „mehr Netto vom Brutto“  unter die Lupe. Er hält ihr entgegen, dass die Abzüge von Lohn oder Gehalt - ob Steuern oder Sozialabgaben - zur Finanzierung öffentlicher Leistungen dienen. Sinken die Abzüge im Sinne eines höheren Nettogehalts, dann werden öffentliche Dienstleistungen eingeschränkt und/oder privatisiert. Dann muss der Arbeitnehmer sie zu Marktpreisen von seinem Nettogehalt bei privaten Anbietern bezahlen - und zahlt dabei drauf.

Literaturangabe:

MÜLLER, ALBRECHT: Meinungsmache. Droemer Verlag, München 2009. 447 S., 19,95 €.

Weblink:

Droemer Verlag


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