HAMBURG (BLK) - Bekannt ist Joachim Ringelnatz vor allem für seine satirisch-heiteren und meist grotesken Reime. Dabei sind seine Texte mitunter erschütternd ernst, und hinter dem Ironisch-Satirischen verbergen sich Schwermut und Sarkasmus. Vor 75 Jahren starb der Schöpfer vom „Seemann Kuttel Daddeldu“, den Ameisen, die nach Australien reisen und den Turngedichten an einer zu spät behandelten Lungentuberkulose. Er wurde nur 51 Jahre alt. Der fleißige Autor brachte es bis dahin allerdings auf zahlreiche Gedichtbände, Romane, Bühnenstücke, Erzählungen und Märchen und arbeitete als Matrose, Maler und Kabarettist. Erich Kästner (1899-1974) würdigte Ringelnatz einst als Allround-Künstler, bei dem das Banalste zum Wunder werde.
Als Sohn des sächsischen Dichters Georg Bötticher am 7. August 1883 in Wurzen bei Leipzig geboren, erhielt er den Namen Hans. Schon früh entwickelte Ringelnatz seine Eigenwilligkeit und die Liebe fürs Skurrile. Vom sechsten Lebensjahr an soll er Zeilen zu Papier gebracht haben. Das Gymnasium besuchte er nur bis zur Mittelstufe, um dann - angeblich ohne das Wissen seiner Eltern - als Schiffsjunge anzuheuern. Wieder an Land, tauchte er in die Münchner Bohème ein - und debütierte 26-jährig als Rezitator im Schwabinger Künstlerlokal „Simplizissiumus“. 1912 erschienen erste Sammlungen von grotesk- komischen und drastisch-humorigen Gedichten, darunter „Es war einmal ein Kannibale, der war aus Halle an der Saale. Man sah ihn oft am Bodensee - Für zwanzig Pfennige Entree“.
Als reisender Artist trug er jahrelang überall seine Verse vor. Die Paraderolle des kleinen, etwas kurzsichtigen Mannes mit dem kantigen Gesicht war die des Matrosen Kuttel Daddeldu, dem er im wahren Leben mit seinem dandyhaften Auftreten so gar nicht ähnelte. Nach seinen Vagabundenjahren zog Ringelnatz mit seiner Frau Leonarda, die er „Muschelkalk“ nannte, nach Berlin. Dort fand er Anerkennung als Mitglied der Kleinkunstbühne „Schall und Rauch“ und als Maler. Er schuf Ölgemälde, Aquarelle und Zeichnungen, die seit dem Zweiten Weltkrieg fast alle verschollen sind.
1933 erhielt der Humorist Auftrittsverbot, seine Bücher wurden beschlagnahmt, seine Malerei als entartet verleumdet. Künstlerfreunde und Fans riefen zu Spenden für den völlig verarmten Künstler und seine Frau auf. „Die Nachtigall ward eingefangen, Sang nimmer zwischen Käfigstangen (...)“, heißt es in einem seiner letzten Gedichte. (dpa/wer)
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