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Melvilles „Moby Dick“ in 3-D

Sam Itas gestaltet „Moby Dick“ als Pop-Up-Buch

© Die Berliner Literaturkritik, 14.01.10

Thomas Hummitzsch

Man stelle sich vor, einen Klassiker der Weltliteratur von über eintausend Seiten auf nur wenige Seiten zusammenschmelzen und zusätzlich eine ansprechende Bebilderung vornehmen zu müssen. Eine Aufgabe, die nach einem schier unmöglichen Projekt klingt. Doch vor keiner geringeren Aufgabe stand der Autor, Buchgestalter und Papierkünstler Sam Ita, um Herman Melvilles bekanntesten Abenteuerroman „Moby Dick“ in einer kindgerechten Variante umzusetzen. Das Ergebnis liegt nun als Pop-Up-Buch, also einem kindgerechten Aufklappbuch, in Comicform vor.

Zum Inhalt des Originals und Weltklassikers sollen an dieser Stelle nur der Form halber einige Worte verloren werden. Melville beschreibt darin die abenteuerliche Fahrt der „Pequod“, einem Walfangschiff, auf dem der berühmt-berüchtigte Kapitän Ahab dem weißen Wal namens Moby Dick nachjagt. Verbissen und blind vor Wut führt Ahab seine Mannschaft nach langer Suche in den Abgrund. Einzig Ismael, dem der erste Satz des Romans in den Mund gelegt ist, überlebt und kann so seine Geschichte erzählen.

Itas Pop-Up-Buch schmilzt die Handlung, die Melville auf mehr als eintausend Seiten prosaisch ausbreitet, auf gerade einmal zwölf Seiten zusammen. Doch diese haben es, im wahrsten Sinne des Wortes, in sich. Schlägt man die einzelnen Blätter auf, wachsen einzelne Elemente der Erzählung dreidimensional aus ihnen heraus. Seefahrtsszenarios entfalten sich, die „Pequod“ entsteht – bis zum letzten Mast – greifbar vor dem Auge des Lesers, der nach Moby Dick suchende Kapitän des Schiffes stiert mit seinem Fernglas dem Leser direkt ins Gesicht. Zusätzliche Dialogtafeln können an den Seiten ausgeklappt werden, auf denen in Comicform Ausschnitte der Handlung und Dialoge abgebildet werden.

Natürlich gehen auf den zwölf großzügig gestalteten Seiten wesentliche Teile der Erzählung verloren. Die entscheidenden Elemente in Itas komprimierter Version sind aber enthalten. Die Blutsbrüderschaft zwischen dem überlebenden Erzähler Ismael und dem Südseekannibalen Queequeg, der erste Auftritt Ahabs nach tagelanger Seefahrt, das die Mannschaft motivierende Anbringen der goldenen Dublone am Hauptsmast des Schiffs, die Auseinandersetzungen zwischen Ahab und seinem ersten Obermaat Starbuck, Queequegs rätselhafte Krankheit und plötzliche Genesung beim Anblick Moby Dicks, die Zerstörung des Walfangschiffes durch denselben sowie die Rettung Ismaels in dem für Queequeg gezimmerten Sarg – all das arbeitet Ita in seiner Pop-Up-Version ein. Selbst die Religionskritik, die in der britischen Urfassung noch der Zensur zum Opfer gefallen ist, findet in dem 3-D-Buch seinen Platz.

Allerdings geraten Melvilles soziale, um nicht zu sagen soziologische Studien, zum Beispiel über die nationalstaatlich heterogene Zusammensetzung der Mannschaft der „Pequod“, viel zu kurz. Dies sind aber vernachlässigbare Versäumnisse, bedenkt man die eigentliche Zielgruppe dieses komplexen und zugleich faszinierend greifbaren Werkes. Sam Itas Moby-Dick-Fassung soll Kindern im Grundschulalter einen attraktiven und packenden Einstieg in Melvilles faszinierenden Klassiker bieten. Statt gleich mit einem Eintausendseiter aufzuwarten und neugierige Kinder und Jugendliche mit einem solchen Ziegelstein an Buch abzuschrecken, liegt nun diese bunt-moderne Fassung im Comicstil vor, die optisch und haptisch an die Faszination einer der kanonischen Abenteuererzählungen heranführt.

Die Rezeption von Melvilles „Moby Dick“ lebt heute, ähnlich wie Dafoes „Robinson Crusoe“ oder Cervantes „Don Quichote“, eher von den kulturellen, insbesondere filmischen Bearbeitungen als von der Originalvorlage. Dieser Comic-Kinderbuch-Aufklapp- und Entfaltungsband schafft die notwendigen Grundlagen, um dies zu ändern und die Neugier interessierter Jungleseratten auf die Originalvorlage zu lenken.

 

Literaturangabe:

ITA, SAM: Moby Dick. Ein Pop-Up-Buch. Knesebeck-Verlag, München 2009. 12 S., 24,95 €.

Weblink:

Knesebeck Verlag

 

 

 


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