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„Metro 2033“ von Dmitry Glukhovsky

Finstere Fantasy in der Moskauer U-Bahn

© Die Berliner Literaturkritik, 17.02.09

 

Von Friedemann Kohler

Die Moskauer Metro hat schon im täglichen Betrieb etwas Fantastisches. Neun Millionen Menschen schieben sich jeden Tag über Rolltreppen und durch lange Gänge der U-Bahn. Im Minutentakt schaufeln Zugungetüme die Menschenmassen von einer kathedralartigen Station zur nächsten. Hartnäckig halten sich die Gerüchte über eine geheime „Metro 2“, die nur den Herrschenden vorbehalten ist.

In seinem Dark-Fantasy-Roman „Metro 2033“ macht der junge russische Autor Dmitry Glukhovsky die Moskauer U-Bahn zur letzten Zuflucht der Menschheit. Das rabenschwarze Werk hat nicht nur in Russland den Nerv der jungen Generation getroffen, auch in Deutschland hat sich das Buch nach Angaben des Heyne-Verlags in zwei Monaten schon 35 000 mal verkauft.

Die Ausgangslage: Nach einem Atomkrieg stehen vom oberirdischen Moskau nur noch Ruinen. Die Menschen leben unter der Erde im Halbdunkel der U-Bahnstationen, züchten Schweine und Pilze. Sie krepieren in Kämpfen mit den Nachbarstationen oder an der Angst in den schwarzen Tunneln. Nur einige Mutige wagen sich nachts an die Oberfläche, um Waffen und Ersatzteile zu besorgen. Die obere Welt wird von Mutanten beherrscht; geheimnisvolle schwarze Wesen dringen von außen in die Metro ein.

Um Gefahr für seine Heimatstation abzuwenden, geht der 20-jährige Romanheld Artjom auf eine gefährliche Reise durch das Tunnelnetz. Von Kleinstaat zu Kleinstaat kämpft er sich vor, denn die Menschheit ist unter der Erde nicht etwa einiger geworden. Eine Metro-Linie ist in der Hand unbeugsamer Kommunisten, an anderer Stelle herrschen Nazis.

Die strategisch wichtige Ringlinie wird von den Händlern der Hanse kontrolliert. Im Streckenteil am Kiewer Bahnhof sind die Bewohner zu Kannibalen degeneriert mit dem Naturglauben an den Großen Wurm. Im Kreml wabert seit dem Atomkrieg eine menschenfressende Biomasse.

Doch dem 1979 geborenen Glukhovsky, einem Fernsehjournalisten mit Erfahrungen bei der Deutschen Welle und dem Staatssender Russia Today, geht es nicht um einen Kommentar zum Zustand Russlands. Ironie liegt dem Fantasy-Genre so fern wie den Tunnelbewohnern das Sonnenlicht. „Metro 2033“ ist ein Actionroman, auch wenn der Zwang, jedes Mini-Gemeinwesen in seiner Denkweise erläutern zu müssen, den Gang der Handlung auf 800 Seiten gelegentlich bremst.

In Russland wurde das Buch wie ein Actionfilm beworben – mit eigener Website, Videoclip und Ego-Shooter-Computerspiel. Moskauer Klubs veranstalteten Rollenspiele nach „Metro 2033“. Auch in Deutschland gibt es eine eigene Website (www.metro2033.org), dazu kommt Glukhovsky auf Lesereise (10.3. Hamburg, 11.3. Berlin, 12.3.Leipzig).

Die finstere Verlassenheit des Helden Artjom spricht junge Leser an. „Überleben und durchhalten, wenn ringsum die Gefahr lauert – das ist doch, was wir suchen“, beschreibt der russische Rezensent Dmitri Uljanow das Lebensgefühl seiner Generation. „Auf den Spuren Artjoms haben wir den Sinn des Lebens gesucht und ihn in keiner Religion und keiner Ideologie gefunden.“ Was zählt, ist die schweigsame Waffenbruderschaft bis zur nächsten Metrostation.

Den vorläufigen Endkampf mit den schwarzen Wesen erlebt Artjom nicht unter der Erde, sondern am höchsten Punkt Moskaus, auf dem Fernsehturm Ostankino. Glukhovsky schreibt nach Verlagsangaben bereits an einer Fortsetzung „Metro 2034“, die im Herbst in Russland und Deutschland erscheinen soll.

Literaturangaben:
GLUKHOVSKY, DMITRY: Metro 2033. Wilhelm Heyne Verlag, München 2009. 783 S., 14 €.

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