dpa-Gespräch mit Elke Vogel
BERLIN (BLK) – Mit drei Kreisen fing alles an. Vor 80 Jahren entwickelten zwei US-Amerikaner – Walt Disney und der Zeichner Ub Iwerks – einen runden Kopf mit zwei runden Ohren und erfanden damit Micky Maus. Im Jahr 1936 erschienen die Geschichten um den aufgeweckten Herrn Maus in der „Micky Maus“-Zeitung erstmals auf Deutsch. 15 Jahre später stieg der Egmont Ehapa Verlag in das Comic-Geschäft ein. „Bis zum Jahr 2000 wurden mehr als eine Milliarde ‚Micky Maus’-Hefte in Deutschland verkauft“, sagte Peter Höpfner, Chefredakteur des zur dänischen Egmont Gruppe gehörenden Verlages, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. „Derzeit verkaufen wir eine Million Hefte pro Monat in Deutschland, Österreich und der Schweiz.“ In mehr als 50 Ländern, in Russland, China und in der Türkei wird „Micky Maus“ gelesen. In den USA selbst gibt es allerdings kein „Micky Maus“-Heft, und auch der Geburtstag werde dort nicht groß gefeiert, erzählte Höpfner.
Was ist das Erfolgsgeheimnis von Herrn Micky Maus?
Höpfner: „Micky Maus ist ein sehr verlässlicher Charakter. Er ist ein guter Freund, er ist sehr selbstständig und selbstsicher. Manche sagen, dass er manchmal einen Hauch besserwisserisch ist. Aber wer ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein. Micky Maus vermittelt positive Werte wie Freundschaft und Hilfsbereitschaft. Im ‚Micky Maus’-Magazin gibt es keine übertriebene Gewaltdarstellung und Action, keine rüde Sprache, und Sex ist in Entenhausen tabu. Es gibt auch dort Konflikte, aber die werden anders gelöst. Micky Maus ist ein zeitloser Charakter, aber natürlich greift er heute auch zum Handy und recherchiert im Internet, wenn einer seiner Freunde auf einer Zeitreise verschwunden ist. Auch aktuelle Dinge werden im Comic immer wieder aufgenommen, wie zum Beispiel Bundestagswahlen oder die Fußball-Weltmeisterschaft. Eltern können die Hefte unbedenklich ihren Kindern geben. Das Magazin bietet auch bei den zahlreichen redaktionellen Seiten sichere, saubere, spannende Unterhaltung. Entenhausen ist einen Fußmarsch im Kopf entfernt.“
Ist Micky der beliebteste Comic-Held aus Entenhausen?
Höpfner: „Donald Duck ist in den meisten Ländern – auch in Deutschland – der beliebteste Charakter. Er hat den Vorteil, dass er immer einer von uns ist, dem die Missgeschicke passieren, die wir auch in unserem Leben erfahren und der das Herz unter der Matrosenbluse auf dem rechten Fleck trägt. Micky hat da den Nachteil, dass ihm eigentlich fast immer alles gelingen mag.“
Wie sieht der typische ‚Micky Maus’-Leser aus?
Höpfner: „Der Stammleser der ‚Micky Maus’ ist zwischen 8 und 12 Jahren. Rund 70 Prozent davon sind Jungs. Die Mädchen, die ‚Micky Maus’ lesen, sind eher die burschikoseren und abenteuerlustigeren. Aber es gibt auch eine Gruppe von geschätzt 10.000 Menschen, die deutlich älter als 19 Jahre alt sind und das Heft jede Woche kaufen, um es zu sammeln. Die ‚Micky Maus’ ist in der Sammler-Szene das Heft Nummer Eins.“
Wie hoch ist die Auflage des „Micky Maus“-Magazins?
Höpfner: „Bis zum Jahr 2000 wurden mehr als eine Milliarde ‚Micky Maus’-Hefte in Deutschland verkauft. Im Augenblick hat die ‚Micky Maus’ wie fast alle Titel auf dem Printmarkt um Auflage zu kämpfen. Aber wir sind nach wie vor der klare Marktführer. Derzeit verkaufen wir eine Million Hefte pro Monat in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch in Italien, Osteuropa und skandinavischen Ländern wie Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland gibt es ein wöchentliches ‚Micky Maus’-Magazin oder -Buch. Das in Deutschland alle vier Wochen erscheinende ‚Lustige Taschenbuch’ wird im Schnitt 240.000 Mal verkauft und da ist die Hälfte der Leser älter als 19 Jahre.“
Wie entsteht die deutschsprachige Ausgabe von „Micky Maus“?
Höpfner: „Die Konzernzentrale der dänischen Egmont Gruppe, zu der Egmont Ehapa gehört, sitzt in Kopenhagen. Die dortige Comicredaktion arbeitet mit freischaffenden Zeichnern und Autoren aus aller Welt. Wir haben dann zum Beispiel einen finnischen Autoren, der eine Geschichte schreibt, die von einem chilenischen Zeichner umgesetzt wird. Es wird alles noch von Hand gezeichnet. Nur die Colorierung findet genauso wie der Einbau der Text-Sprechblasen mittlerweile am Computer statt. Aus Kopenhagen bezieht auch das deutsche Magazin seinen Comic-Teil. Wir stellen daraus jede Woche ein eigenes Magazin zusammen, steuern die Übersetzung sowie die textliche Bearbeitung bei und können auch extra Geschichten zu bestimmten Anlässen bestellen oder heraussuchen lassen. Daneben gibt es den in Deutschland erstellten redaktionellen Teil mit aktuellen Reportagen, Rätseln sowie Wissens- und Witz-Seiten.“
Was war die größte Krise in der Beziehung von Micky Maus und Minni Maus?
Höpfner: „In 80 Jahren? Ich kann darüber nicht reden. Micky Maus und Minni Maus haben einen großartigen Vorteil: Wenn alle Promi-Paare so leben würden wie diese beiden – dann gäbe es diese vielen Glamourblätter nicht. Micky und Minni haben es geschafft, in 80 Jahren ihr Privatleben sehr unter Verschluss zu halten. Das muss man absolut akzeptieren und respektieren, finde ich. Natürlich gibt es auch bei ihnen immer wieder Krisen, Micky und Minni sind sich auch nicht immer wohlgesonnen. Aber sie sind dauerverlobt und werden das auf jeden Fall auch bleiben. Das ist die wahre Liebe. Micky und Minni müssen nicht heiraten.“
Wie beurteilen Sie den Comic-Markt in Deutschland?
Höpfner: „Die Comic-Szene in Deutschland ist sehr vielfältig und spannend. Es gibt sehr viele Leute, die mit sehr viel Idealismus und Engagement tolle Produkte herausbringen. Comic ist für mich definitiv eine Kunstform. Der Comic hat immer zu kämpfen gehabt. Als wir 1951 mit dem ‚Micky Maus’-Magazin angefangen haben, war der Comic als Schundliteratur verpönt. Die 68er haben sich dann den Donald Duck auf die Fahnen geschrieben und die Geschichten durch die Übersetzungen von Erika Fuchs als hehres Bildungsgut gesehen. Fuchs sagte: ‚Man kann gar nicht gebildet genug sein, um Comics zu übersetzen’. Das sorgte für eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz. Heute ist die Comic-Szene immer noch in einer kleinen Nische. Aber ich glaube, sie kann so unterhaltsam, spannend und vielfältig sein, dass es noch eine ganze Weile Spaß machen wird. Was es in Deutschland leider im Moment nicht ausreichend gibt, das sind die klassischen Comic-Strips in Tageszeitungen. Das ist eine Sache, die würde ich mir zurückwünschen. Da stehen wir auch einer Kooperation mit großen Tageszeitungen wohlwollend gegenüber.“
Welche Abenteuer soll Micky noch erleben, die es noch nicht gibt?
Höpfner: „Micky muss auf jeden Fall noch einmal weit in die Vergangenheit reisen und die Reihe seiner gigantischen Vorfahren – die unter anderem Amerika entdeckt haben und im Wilden Westen waren – abklappern. Und sicherlich wird Micky auch noch einmal in die Zukunft reisen. Mal sehen, ob er dann seine Nachfahren trifft. In Entenhausen gibt es noch viele unentdeckte Geschichten zu erzählen.“