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Mit Licht, aber ohne Kamera

Catalogue Raisonné: Moholy-Nagys Fotogramme

© Die Berliner Literaturkritik, 08.12.09

Von Thilo Resenhoeft

László Moholy-Nagy gehörte zu den prägenden künstlerischen Gestalten am Staatlichen Bauhaus in Weimar und Dessau (1923-1928). Der ungarische Avantgardist, Lehrer und Fotograf gilt als einer der einflussreichsten Lehrer des neuen Sehens im 20. Jahrhundert. Er begeisterte sich für das Fotografieren ohne Kamera, bei dem Gegenstände direkt aufs Fotopapier gelegt und belichtet werden (Fotogramm). Dabei entstehen oft kaum vorherzusagende Effekte, wenn etwa metallische Gegenstände das Licht aufs Papier streuen und Teile davon zugleich mit ihrem eigenen Volumen abdecken.

Was Moholy-Nagy (1895-1946) dabei zuwege brachte, ist nie so ausführlich zusammengestellt und analysiert worden wie in dem neuen Werkverzeichnis (Catalogue Raisonné) von Renate Heye und Floris Neusüss. Mitgeholfen hatte Moholy-Nagys Tochter Hattula. Alle momentan bekannten rund 450 Werke, die bisher vielfach nur in historischen Publikationen oder Katalogen zu sehen waren, sind hier zusammengetragen. Neusüss hatte bereits 1990 den Band „Das Fotogramm in der Kunst des 20. Jahrhunderts“ vorgelegt, das die Fotografie ohne Kamera ausführlich beleuchtete.

Das Licht selbst sollte sich dem Papier einschreiben, selbst Formen schaffen, schrieb Moholy-Nagy im Februar 1929. Dazu bediente er sich oft jener Objekte, die von den Schülern der von ihm geleiteten Metallklasse am Bauhaus geschaffen wurden. Ein Tee-Ei mit langem Griff etwa wird im Zuge der Belichtung wieder und wieder andere Stellen des Papiers gelegt, bis sich die Konturen des Gebrauchsgegenstandes gegenseitig durchdringen, sich miteinander verweben und sich die Umrisse schließlich in einer abstrakten Form auflösen.

Dieses Thema variierte Moholy-Nagy mit großer Geduld. Die ersten seiner Fotogramme stammen aus dem Jahr 1922, bis zu seinem Tod 1946 griff er immer wieder zu dieser Technik, zur reinen Gestaltung des Lichtes. Auch durch seine Mehrfachbelichtungen wurde er zu einem der Pioniere der experimentellen Fotografie.

Die damals üblichen Papiere ließen sich durch die Chemikalien nicht bloß zu reinen schwarz-weiß-Bildern entwickeln: Variationen der Substanzen und des Dunkelkammerprozesses ließen leichte Farbstiche (Tonungen) entstehen. Variieren lassen sich auch die Zeiten, in denen das Papier in der Entwicklungsschale bleibt. So entstehen jeweils Unikate, die zu einem kleinen Teil in Ausstellungen, teils in Zeitschriften, teils in den Baushausbüchern zu sehen waren. Man kann sich in den Bildern verlieren, wenn man versucht nachzuvollziehen, wie sie entstanden sein mögen. Oder welche Gegenstände Moholy-Nagy übereinander gestapelt haben mag. Zuweilen wurde ein fertig entwickeltes Fotogramm auch wieder auf ein neues Blatt Fotopapier gelegt, um eine Kontaktkopie zu schaffen. So kommt es zu immer neuen Variationen. Moholy-Nagy verfolgte seine Fotogramme mit immer neuem Enthusiasmus auf der Suche nach der neuen Form. Die weich ineinander fließenden Flächen und Schatten schaffen ästhetisch-abstrakte Abbilder, die anderen als Vorbild galten und ein historisch wichtiges Kapitel der abstrakten Fotografie begründen.

Literaturangabe:

HEYE, RENATE/ NEUSÜSS, FLORIAN: Catalogue Raisonné: Moholy-Nagy - The Photograms. Hatje Cantz Verlag , Ostfildern 2009. 312 S., 616 Abbildungen, 78 €.

Weblink:

Hatje Cantz

 

 


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