Von Ingo Senft-Werner
FRANKFURT AM MAIN (BLK) – Trotz seiner Schmerzen lächelt er. Der 82 Jahre alte Siegfried Lenz sitzt auf dem Sofa seines Verlags Hoffmann und Campe auf der Frankfurter Buchmesse und zündet sich eine Pfeife nach der anderen an. „Ich wollte es mir abgewöhnen“, erzählt der Schriftsteller leise, beendet den Satz aber nicht. Getrieben vom unerwarteten Erfolg seines neuen Romans „Schweigeminute“ mit mehr als 250.000 verkauften Exemplaren macht er der internationalen Bücherschau am Mittwoch (15. Oktober) nach 18-jähriger Abstinenz wieder seine Aufwartung.
Wie er auf das Thema der Liebesgeschichte zwischen einem Schüler und seiner Lehrerin gekommen ist? Lenz lächelt erneut. „Die Liebe ereilt den Menschen doch in jedem Alter“, erwidert er. Eigene Erinnerungen will er jedoch nicht verarbeitet haben. „Meine Englischlehrerin war über 60 Jahre alt.“ In andere Lehrerinnen sei er schon verliebt gewesen, fügt er verschmitzt hinzu, „aber über die habe ich nicht geschrieben.“ Allerdings habe er eine gewisse Affinität zum Lehrer-Beruf. „In mir steckt ein verhinderter Lehrer.“ Und als Autor wollte er seinen Lesern auch immer etwas beibringen, das sich in zwei Worten zusammenfassen lässt: „Lerne leben.“
Die eigentliche Verlockung nach Frankfurt zu kommen, war die Gelegenheit, sich mit seinen ausländischen Verlegern zu treffen, gesteht er freimütig ein. „Auch der chinesische war dabei. Da gab es ein paar Verständigungsprobleme.“ Dem Trubel auf der Buchmesse versucht er, so schnell wie möglich zu entkommen. „Ich genieße das nicht, ich gehe am Stock.“ Mit der Hand weist er auf die Gehhilfe mit silbernem Knauf, die hinter ihm liegt. „Jeder Schritt tut weh.“ In seinen wässrigen blauen Augen spiegelt sich seine schwere Krankheit. Mehr als 40 Tumor-Bestrahlungen und eine Rücken-Operation hat er hinter sich.
Plötzlich baut sich ein großer Mann vor ihm auf. „Ich muss ein Foto von ihm machen.“ Ex-„Tagesthemen“-Moderator und Buchautor Ulrich Wickert zückt eine kleine Kamera. Lenz rappelt sich auf, um den Freund zu umarmen. „Es wird nicht mehr“, raunt er ihm auf die Frage nach seiner Gesundheit ins Ohr.
Das Geschäftliche hat Lenz weitgehend dem Verlag überlassen. Dass sein Roman im kommenden Jahr vom Produzenten Bernd Eichinger verfilmt wird, nimmt er zur Kenntnis. Alle weiteren Fragen zu diesem Thema soll Verlagschef Günter Berg beantworten. Mitspracherechte beim Drehbuch oder gar bei der Besetzung hat er sich nicht einräumen lassen. „Er nimmt das sehr gelassen, und wir kümmern uns darum, dass die Werktreue nicht verletzt wird“, sagt Berg.
Lenz hat sich bereits die nächste Pfeife angezündet und versammelt einige Freunde an seinem Tisch. Die Verlagsmitarbeiter bitten die Autogrammjäger um Rücksicht, die auch bald das Feld räumen. Nach rund einer Stunde verlässt der Autor die Bühne.
Literaturangaben:
LENZ, SIEGFRIED: Schweigeminute. Hoffmann und Campe, Hamburg 2008. 128 S., 15,95€.
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