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Mit Proust gegen die Mafia – Prieto wieder als Kubaner unter Russen

Die Proust-Reminiszenzen mischen sich mit Anspielungen auf andere Größen der Weltliteratur

© Die Berliner Literaturkritik, 09.04.08

 

Von Klaus Blume

Der spanische Badeort Marbella zieht nicht nur sonnenhungrige Mitteleuropäer, sondern seit einigen Jahren auch vermehrt reiche Russen an. Dorthin verschlägt es den jungen Kubaner J., der nach vielen Jahren des Lebens in Russland als Hauslehrer in der Luxusvilla eines russischen Ehepaares an der Costa del Sol anheuert. Er soll dessen elfjährigen Sohn Petja unterrichten. Doch bald merkt er, dass er sich auf ein gefährliches Terrain begeben hat. Ist er in die Fänge der Russen-Mafia geraten?

„J.“ ist die Hauptfigur in „Rex“, dem neuen Roman des Kubaners José Manuel Prieto. Lesern von Prietos 2004 erschienenem Buch „Liwadija“ ist die Figur bekannt, auch wenn es zwischen beiden Romanen wenig Anknüpfungspunkte gibt. Wie in „Liwadija“ verarbeitet Prieto in „Rex“ ein Stück seiner Lebensgeschichte. Denn der 45-jährige Autor hat selber viele Jahre in der Sowjetunion studiert und gearbeitet, er ist also mit russischer Kultur und Mentalität vertraut. Wie in „Liwadija“ geht es in „Rex“ aber nicht nur um eine abenteuerliche Geschichte, sondern auch um die Liebe des Autors zur Literatur. Sang Prieto in „Liwadija“ ein Loblied auf die Briefkultur, so ist in „Rex“ ein längst verstorbener französischer Schriftsteller sozusagen ein Nebenakteur.

Denn Hauslehrer J. soll seinen Eleven zwar Spanisch, Mathematik, Erdkunde und Physik lehren, doch beschränken sich seine Lehrmittel auf ein einziges Buch: „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Marcel Proust. Für J. ist es das Buch der Bücher, das Licht auf alle Rätsel wirft und in dem alles steht, was im Leben wirklich wichtig ist. Mit Proust will J. den Schüler „aus den Fängen des spanischen Proleten-TV“ retten, und durch die Lektüre soll Petja lernen, die Menschen zu beurteilen.

Derweil lernt der Ich-Erzähler J., dass sein Arbeitgeber Wassili in Todesangst lebt. Denn der hat falsche Diamanten verkauft und fürchtet nun die Rache eines Killerkommandos. Seine bildhübsche Gattin Nelly, die dem Hauslehrer immer wieder schöne Augen macht, hat die rettende Idee: Wassili als Nachfahren der russischen Zaren auszugeben. An einem Thronprätendenten, so das Kalkül, würde sich auch die Russenmafia nicht vergreifen. Gemeinsam versuchen J. und Nelly, den aberwitzigen Plan in die Tat umzusetzen. Das aber kann nicht gut gehen.

Das ist die Rahmenhandlung, doch ist „Rex“ kein Mafia-Thriller. Weite Strecken des Romans bestehen aus inneren Monologen des Erzählers, in denen er immer wieder auf Proust anspielt, den er nur „der Schriftsteller“ nennt. Die Proust-Reminiszenzen mischen sich mit Anspielungen auf andere Größen der Weltliteratur wie Jorge Luis Borges, Vladimir Nabokov, William Shakespeare oder Thomas Mann.

Wer aber im Gegensatz zu Prieto die 4000 Seiten von „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ noch nicht gelesen hat, der hat manchmal Schwierigkeiten, den Gedankenflügen des Autors zu folgen. Auch dessen eigenwillige Syntax, seine Vorliebe für abgehackte Sätze ohne Verb, sind nicht nach jedermanns Geschmack. Man erfährt zwar, dass sich Petjas Inneres „unter den Worten des Schriftstellers verwandelt“. Wie es aber in Zeiten der Pisa-Diskussion gelingt, einen Nintendo-süchtigen Jungen zum Proust-Fan zu machen, bleibt nebulös. Schon das spanische Original von „Rex“ fand im vorigen Jahr ein geteiltes Echo. „Es gibt unbequeme Bücher, die einen zwingen, eine unnachgiebige Position einzunehmen: Ja oder Nein“, schrieb die mexikanische Literaturzeitschrift „Letras Libres“.

Literaturangaben:
PRIETO, JOSÉ MANUEL: Rex. Roman. Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 340 S., 22,80 €.

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