Werbung

Werbung

Werbung

„Mögliche Nebenwirkungen“ – Stories von Augusten Burroughs

Burroughs’ Themen sind Zwänge und Neurosen in allen möglichen Lebenslagen

© Die Berliner Literaturkritik, 10.06.08

 

„Es hat mich fertiggemacht, siebzehn verschiedene Leben gelebt und sie in einzelnes Dasein gepresst zu haben. Ich habe Rückenschmerzen, mir gehen die Haare aus, und meine Haut ist auch schlecht. Ich versuche, witzig zu sein, aber stattdessen komme ich rührselig und sogar ein bisschen jämmerlich rüber. Ich kleide mich wie ein Neunzehnjähriger und schmiere mir 75-Dollar-Antifaltencreme auf die Augenpartie.“

So beschreibt sich Augusten Burroughs in einer seiner Kurzgeschichten aus „Mögliche Nebenwirkungen“. Man darf hier wohl getrost vom Autor auf den Erzähler schließen, denn wie schon in seinen vorhergegangenen Werken „Krass!“, „Trocken“, „Werbepause“ und „Teleshop“, ist auch hier das Hauptthema Burroughs’ er selbst – oder besser gesagt: seine Zwänge und Neurosen in allen möglichen Lebenslagen.

Diese bestehen beispielsweise aus der traumatischen Kindheitserinnerung an die Zahnfee, den Absurditäten im Job als (stark trinkender) Werbetexter, nervigen Blind Dates oder Verkupplungsversuchen unter lesbischen Frauen. Es geht mal um die Besessenheit vom eigenen Herzschlag, mal um den erlösenden Aufenthaltswechsel von einer edlen Pension in eine billige Hotelkette oder auch um die An- und Abschaffung eines Hundes, der dann Kitty oder Cow genannt wird. Burroughs kennt keine Grenzen, um eine Kulisse zu schaffen, vor der er seine Neurosen zelebrieren kann. Oder, wie es der Klappentext verspricht, „aus dem Leben eines Großstadtneurotikers“ zu erzählen. Doch wer dabei spontan an Woody Allen denkt, dürfte schnell enttäuscht sein; oftmals geht es bei Burroughs auf eher zermürbende als unterhaltsame Weise zu.

Denn selbst wenn Burroughs bei der einen oder anderen Geschichte die Pointe glückt und die Stories an sich Potenzial haben, steht sich der als „Trash-Autor“ gefeierte Schriftsteller durch seine bemühte Komik und Sprache selbst im Weg.

Augusten Burroughs ist, kurz gesagt, ein homosexueller Ex-Alkoholiker mit schwieriger Kindheit und psychischen Auffälligkeiten in der Familie. So machen die autobiografischen Eckdaten zwar zunächst neugierig, doch sind es eben jene, derer man als Leser schnell überdrüssig wird. Nach über dreihundert Seiten lässt Burroughs’ penetrante Koketterie als Taugenichts mit einer „endlosen Liste von Ticks und fixen Ideen“ den Leser konstant die Geduld verlieren. Und auch verzweifeln, denn Burroughs’ Versuche witzig zu sein schlagen fehl. Diese entpuppen sich maximal als Kalauer.

Ein illustres Beispiel für diese in der Tat „schmerzhaft-komische“ Darstellungsweise ist eine Bemerkung zum Thema virtueller Kontaktanzeigenaufgabe:

„Ich persönlich fand diese digitale Bildbearbeitung verlogen und würde so etwas nie mit einem Bild von mir machen. Allenfalls würde ich das Schattierungswerkzeug von Photoshop benutzen, um die muskulösen Sixpacks auf meinem Bauch besser rauszubringen, die dort auch wirklich waren. Unter der Fettschicht.“

Sprachlich wird es ebenfalls schnell problematisch durch Burroughs’ aufgesetzte Lässigkeit in seiner Erzählstimme. Selbst wenn die einleitende Bemerkung womöglich der „Selbstironie“ des Autors zugeschrieben werden sollte, bewahrheitet sie sich insofern, als dass Burroughs zu bemüht klingt, den Tonfall eines unkonventionellen, jung gebliebenen Mannes zu treffen. Die Befürchtung kommt auf, dass der inzwischen Mittvierziger hier keinen Holden Caulfield der Gegenwart konstruieren wollte, sondern sich für einen hält. Dabei ist er nicht überzeugend, sondern albern. An dieser mangelnden Authentizität ändert auch der wohl verkaufsfördernd gemeinte Untertitel „Wahre Geschichten“ nichts. Vielmehr reiht er sich ein in die Liste der Versuche, dem Buch etwas Bedeutsames abgewinnen zu wollen.

Denn weder thematisch noch stilistisch ist diese Lektüre ergreifend; sie mag befriedigend sein für Leser mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne und einem spezifischen Humor. Bei allen anderen könnten sich baldige Ermüdungserscheinungen einstellen und die Enttäuschung darüber, der Überschätzung eines Gegenwartsautors auf den Leim gegangen zu sein.

Dies ist dann, um es mit der Komik eines Augusten Burroughs auszudrücken, eine „mögliche Nebenwirkung“ dieses Kurzgeschichtenbandes.

Von Karolina Szczepanska

Literaturangaben:
BURROUGHS, AUGUSTEN: Mögliche Nebenwirkungen. Wahre Geschichten. Aus dem Amerikanischen von Karolina Fell. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2008. 365 S., 8,95 €.

Verlag


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: