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Mörderischer Lärm

Stefan Slupetzkys neuer „Lemming“-Krimi „ Lemmings Zorn“

© Die Berliner Literaturkritik, 06.05.09

Von Karolin Köcher

Krimiautor Stefan Slupetzky glaubt fest an die Magie seiner Worte. „Es ist schon häufiger vorgekommen, dass fiktive Ereignisse, die ich beschrieben habe, kurze Zeit später wirklich eingetroffen sind“, sagt der 46-Jährige geheimnisvoll. Mit der Schilderung eines tragischen Unfalls eines kleinen Jungen in seinem neuen Krimi „Lemmings Zorn“ wartete er daher lieber auch so lange, bis sein eigener Sohn etwas älter war. Der Roman ist der vierte aus der nicht nur in Österreich beliebten „Lemming-Reihe“. Vor der Lesung verteilt Slupetzky vorsorglich Ohropax an die Besucher, denn in seiner neuen Geschichte geht es um Lärm.

Es ist der alltägliche akustische Wahnsinn einer Großstadt, dem die Bewohner oft nicht entrinnen können und der ihnen nach und nach die Ruhe, die Lebensfreude und die Gesundheit raubt. Der ehemalige Polizist Leopold Wallisch (Spitzname Lemming) wird unversehens in einen Mordfall hineingezogen, bei dem die Geräuschkulisse der Donaumetropole als vermutliches Mordmotiv eine entscheidende Rolle spielt.

Nächtliche Presslufthammer-Attacken von Bauarbeitern, ehrgeizige Heimwerker-Projekte von Nachbarn – Lärmquellen gibt es viele. Selbst ein harmloser Spaziergang des Lemming mit seinem schlafenden Sohn Benjamin im Buggy wird zu einem akustischen Spießroutenlauf: erst röhrt die Hupe eines Lieferwagens (Benjamin kreischt), ein Moped kommt heulend auf Touren, während ein Blumenhändler ratternd seinen Rollladen hochfährt. Eine mit prallen Plastiksäcken bewaffnete Frau steuert auf den Altglascontainer zu, zwei Arbeiter werfen Bretter in eine Baumulde, und die Alarmanlage eines Mercedes heult auf (Benjamin kreischt).

Baulärm ist hier in Wien fast allgegenwärtig. Dachgeschosse werden abgerissen, umgebaut, Fassaden erneuert, es ist extrem.

Die Idee für den Roman entstammt der Lebensrealität des Autors: „Baulärm ist hier in Wien fast allgegenwärtig. Dachgeschosse werden abgerissen, umgebaut, Fassaden erneuert, es ist extrem. Jahrelange Bauphasen sind keine Ausnahme“, sagt er und meint damit durchaus auch sein eigenes Wohnhaus im schicken Servitenviertel. Vor dem Haus: ein Baugerüst.

Aus ähnlichem Grund beschließt im Roman die „Anti-Lärm-Fraktion“ (ALF) mit einem Baumagnaten persönlich abzurechnen. Zu dieser Gruppe gehört auch Angela, die Frau, die zu Beginn der Geschichte in einer dramatischen Aktion als rettende Hebamme den Sohn des Lemming zur Welt bringt. Wallisch ist entsetzt, als er den verschollengeglaubten Baumagnaten in einem entlegenen Kellergewölbe in Angelas „Strafraum“ entdeckt. Slupetzky schreibt boshaft, listig, mit Wiener Schmäh, voller Humor und Hintersinn – und immer spannend. An seinen Sätzen feilt er, bis sie stimmen. Da schlingert ein Schädel schon mal so heftig hin und her, dass „sein grauer Haarschopf durch die Luft weht wie das Baströckchen einer Hulatänzerin“. Sein erster Krimi aus der Reihe „Der Fall des Lemming“, für den Slupetzky 2005 den Glauser-Preis für das beste Krimidebüt erhielt, wird gerade verfilmt und läuft im Herbst auch in deutschen Kinos an.

SLUPETZKY, STEFAN: Lemmings Zorn. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2009. 302 S., 8,95 €.


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