MÜNCHEN (BLK) – Im November 2008 ist in der Lyrikedition 2000 der Gedichtband „Reichstag bei Regen“ von Adrian Kasnitz erschienen.
Klappentext: „Was Poesie ist, diese Frage muss zu jeder Zeit neu beantwortet werden. Nach Postavantgarde und Formalismus der 80er und 90er Jahre hat der Stil sich nunmehr beruhigt. Jüngere Autoren führen die Dichtung auf ihr Eigentliches zurück: schlichte, klare Bildlichkeit, Verdichtung des Alltäglichen. Adrian Kasnitz gehört zu dieser kommenden Generation. Seine Lyrik ist scheinbar unaufgeregt, beinahe unbewegt. Doch hinter der sprachlich geglätteten Oberfläche lauern die Anwürfe des modernen Lebens, die vor allem eines nicht mehr zulassen wollen: Momente des Innehaltens, der Besinnung, der emotionalen Vergewisserung. Gerade diese Fähigkeit aber ermöglicht erst bewusste Wahrnehmung, und Kasnitz’ Gedichte tragen dazu bei, die Zeit anzuhalten, Erfahrungen zu subsumieren, Geschichte zu bilden.“ Enno Stahl
Adrian Kasnitz, geboren 1974, aufgewachsen in Queetz und Lüdenscheid, lebt als Schriftsteller, Herausgeber und Wissenschaftler in Köln. Neben dem vorliegenden Band veröffentlichte er „innere sicherheit“ (Gedichte, 2006) und „Die Maske“ (Kurzgeschichten, 2004). Seine Texte wurden u.a. mit dem Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium der Stadt Köln und einem Arbeitsstipendium der Staatskanzlei NRW gefördert. (jud)
Leseprobe:
© Lyrikedition 2000©
KINDERGEWITTER, KÖLNER BUCHT
für harald gröhler
die blitze im rahmen / es donnert / mach
das fenster auf kipp / mach das fenster zu / du
sollst schlafen und nicht zittern /
schließ die augen / grüne blitze / ausgefranst /
so ausgefranst das land / die stadt als fähre
im sturm / das haus gegenüber als gefährte /
vogel flieg / singst du / vogel flieg /
grüne blitze / und die schwalben unterm
traufstein sind bang / gesangslos
EIN PHOTO ZEIG ICH DIR
von einer griechischen frau
gekleidet: schwarz und kopftuchumwickelt
hat sie einen korb oliven gepflückt
und blickt böse ins bild
ich erfinde eine stimme dazu
imitiere kehlige gurgellaute
die dem meeresboden entsprungen sein könnten
wahrscheinlich lebt sie auf einer insel
wir versuchen sämtliche aufzuzählen
nur lesbos und kreta
erscheinen auf unserer mental map
und bei zypern zweifeln wir zu recht
steigen wir zusammen in die badewanne
legst du die urlaubskataloge zur seite
die kleider ab
schicke ich dir die seifendose rüber
ein schiff kommt
wassiliki ein schiff
AM SEE
die genäßten leiber dicht gedrängt das nackte fleisch
vereinzelt mit buntem stoff behängt wie
lampions in einer lauen sommernacht
und junge hunde wie sie über badetücher
tapsen und nach turnschuhn schnappen
wir hingegen tauchen in das wasser
wie in glas gegossene fische
© Lyrikedition 2000 ©
Literaturangaben:
KASNITZ, ADRIAN: Reichstag bei Regen. Gedichte. Lyrikedition 2000, München 2008. 96 S., 9.50 €.
Verlag
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