HAMBURG (BLK) – 2008 erschien Stephan Scholtisseks Sachbuch zur Globalisierung „Multipolare Welt“ beim Murmann Verlag.
Klappentext: Mit ungeheurer Dynamik entstehen weltweit neue Wirtschaftspole. China, Indien und Russland, Südkorea, Brasilien und Mexiko wachsen ökonomisch in rasendem Tempo. Die Türkei, das Baltikum und die arabischen Golfstaaten etablieren sich als Zukunftszentren. Die bislang dominierende Triade USA, Westeuropa und Japan bekommt Konkurrenz und wird Teil neuer Netzwerke. Die multipolare Welt entsteht. Stephan Scholtissek hat ein visionäres Buch über die gerade entstehende neue Wirtschaftswelt und Deutschlands chancenreiche Position darin geschrieben. Er analysiert, wie der Exportweltmeister Mitglied der wirtschaftlichen Champions League bleiben kann. Die deutschen Unternehmen berät er, wie sie sich in der multipolaren Welt positionieren müssen, wo sie von anderen lernen können und wo sie innovativ sein müssen, um gegen neue Konkurrenten zu bestehen. Arbeitnehmern weist er den Weg, wie sie auf einem neuen Arbeitsmarkt erfolgreich bleiben können.
Stephan Scholtissek ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Accenture, einem der weltweit führenden Beratungshäuser. Er hat zahlreiche Artikel und Bücher geschrieben, darunter den Roman Stromland (2006). (vol)
Leseprobe:
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Globalisierung war gestern
Für die deutsche Readymix AG begann die multipolare Zukunft im Frühjahr 2005. Die Geschäftsleitung erfuhr, dass ihr Mutterkonzern RMC Group – und damit auch sie selbst – von einem anderen multinationalen Unternehmen geschluckt worden war. Was das konkret für sie bedeutete, begann ihnen spätestens zu dämmern, als eine Delegation der neuen Eigentümer die Firmenzentrale im eher beschaulichen Ratingen besuchte. „Was denn“, musste sich mancher deutsche Manager anhören, „Sie sprechen kein Spanisch?“ Denn der Konzern, der RMC für insgesamt sechs Milliarden US-Dollar übernommen hatte, ist die mexikanische Cemex. Durch diesen bislang größten Deal eines lateinamerikanischen Konzerns in Europa hat sich Cemex in der Weltliga der Zementhersteller hinter dem französischen Lafargue-Konzern auf Platz zwei katapultiert.
Herzlich willkommen in der multipolaren Zukunft! Von der Öffentlichkeit hierzulande weithin unbeachtet hat die zweite Phase der wirtschaftlichen Vernetzung längst begonnen. Noch in den Achtziger- und Neunzigerjahren waren die drei ökonomisch stärksten Regionen der Nachkriegszeit – USA, Westeuropa und Japan – auch die treibenden Kräfte der Globalisierung. Nordamerikanische, japanische und deutsche Unternehmen lagerten Teile ihrer Produktion in Niedriglohnländer aus und erschlossen sich weltweit neue Märkte für ihre Waren und Dienstleistungen.
Noch wird die öffentliche Debatte bei uns von „Globalisierungskritikern“ beherrscht, die den westlichen Staaten und Unternehmen „Ausbeutung der Dritten Welt“ vorwerfen. Doch unterdessen ist wenigstens ein halbes Dutzend der scheinbar so schutzbedürftigen Schwellenländer zu Wirtschaftsriesen aufgeschossen – mit explosiven Steigerungsraten, gegen die selbst das Wachstum im Europa der industriellen Revolution wie fußkrankes Lahmen erscheint. Das billigste Auto der Welt, im Januar 2008 vom indischen Hersteller Tata für gut 1.700 Euro auf den Markt gebracht, ist nur das jüngste Beispiel für die sprunghaft gewachsene Konkurrenzfähigkeit der neuen Wirtschaftsregionen. Auch wenn der „Tata Nano“ in den USA, Japan oder Westeuropa keine Chance hätte – in den gigantischen Wachstumsmärkten der neuen Boomregionen wird er Millionen Käufer aus den neuen Mittelschichten finden. Man braucht jedoch keine prophetischen Kräfte, um vorauszusagen, dass die chinesische und die russische Antwort nicht lange auf sich warten lassen wird: Indien verfügt zwar über niedrige Arbeitskosten, China und Russland aber haben außerdem Zugang zu kostengünstigen Rohstoffen bzw. kostengünstiger Energie, die der indische Rivale teuer importieren muss. Damit wird auch verständlich, warum es für Tata so wichtig ist, eingeführte Marken wie Jaguar und Land Rover zu übernehmen.
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Literaturangaben:
SCHOLTISSEK, STEPHAN: Multipolare Welt – Die Zukunft der Globalisierung und wie Deutschland davon profitieren kann. Murmann Verlag, Hamburg 2008. 272 S., 22,50 €.
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