Von Caroline Bock
BERLIN (BLK) – „Ruhm“ liegt in Stapeln aus, ganz vorn am Eingang einer großen Berliner Buchhandlung. Das wäre in der Formel 1 die Pole Position. „Der neue Kehlmann ist da!“, steht daneben. Wer in diesem Literaturfrühling mitreden will, kommt am jüngsten Roman des 34 Jahre alten Bestsellerautors Daniel Kehlmann nicht vorbei. Am Freitag ist „Ruhm“ im Rowohlt Verlag mit einer Auflage von 200.000 Exemplaren gestartet. Am Montagabend war die Buchpremiere im Berliner Ensemble. Kehlmann, der in Wien und Berlin lebt, gilt als literarisches Ausnahmetalent. „Die Vermessung der Welt“ verkaufte sich allein in deutscher Sprache 1,4 Millionen Mal.
Das Theater am Schiffbauerdamm ist voll. Kehlmann und Schauspieler Ulrich Matthes, der eine im dunklen, der andere im hellen Anzug, lesen im Wechsel aus dem „Roman in neun Geschichten“. Danach spricht Kehlmann mit Sebastian Kleinschmidt von der Literaturzeitschrift „Sinn und Form“ über seine Erzählungen, sein Verhältnis zu den Figuren und über Sterbehilfe, wie sie in der Geschichte „Rosalie geht sterben“ vorkommt.
Bei der Figur - einer alten Dame - war Kehlmann Milde und wirkliche Nähe wichtig. Zwischen der todkranken Rosalie und dem Erzähler entspinnt sich ein Zwiegespräch. Es geht um Fiktion an sich. Der Erzähler wirkt in dieser Episode besonders dicht am echten Autor. „Der Trick dieser Geschichte besteht eigentlich darin, dass es im Grunde keinen Trick gibt, dass sie mit offenen Karten spielt“, sagt Kehlmann.
Szenenapplaus bekommt Ulrich Matthes, als er die Blogger-Parodie „Ein Beitrag zur Debatte“ vorträgt. Mit dem besessenen Internetnutzer „mollwitt“ hat sein Erfinder viel Spaß gehabt. Kehlmann freut sich, als der Schauspieler neben ihm die verblödete Sprache der Figur zu Leben erweckt. „Ich war jetzt voller Container visible“, sagt dieser „mollwitt“, als er seine Rechneridentität im Netz offenbart.
Wie verändert sich die Welt durch Handy und Internet? Was bedeutet die Aufmerksamkeit der anderen für das Ich? Was heißt es, Figuren zu erfinden? Das sind Fragen, die Kehlmann interessieren. Er nimmt seine Figuren ernst und schafft es zugleich, sein Publikum zu unterhalten. Thematisch ist „Ruhm“ zwar weit weg von der „Vermessung der Welt“, das von den Gelehrten Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt handelt, die Handschrift aber ist wiederzuerkennen.
Kehlmann wirkt bei der Buchpremiere locker. Es ist ein literarisch ambitionierter Abend. Allerweltsfragen, wie sie die Schriftstellerfigur Leo Richter in „Ruhm“ zu hören bekommt (dieser muss ständig sagen, woher er seine Ideen nimmt), fallen bei der Runde mit Kleinschmidt weg. Die Spanne reicht von Flaubert, Canetti, Habermas über Glaubenskrisen von Mutter Teresa bis zur betrügerischen Papageienvermittlung. Am Schluss sagt der Moderator, dass er das Genie-Motiv diesmal in die Struktur des Romans integriert sieht. Dem könne er wirklich gar nichts hinzufügen, sagt Kehlmann. Das dürfte wie der Buchtitel „Ruhm“ ironisch gemeint sein.