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Die Familie Mann und Brasilien

Schriftsteller erklären Brasilien ihre Liebe in „Mutterland - die Familie Mann und Brasilien“.

© Die Berliner Literaturkritik, 11.01.10

Von Rudolf Grimm

Brasilien ist ein Land, von dem die Deutschen ein positives Bild besonderer Art haben - wegen seiner Fußballspieler. Diese Spieler unterschiedlicher Hautfarbe gehören zu den besten und beliebtesten der Welt. Ihre ethnische Vielfalt spiegelt etwas von dem Guten, das auf dem Boden dieses riesigen südamerikanischen Landes gewachsen ist. Auch bedeutende Schriftsteller haben dessen Einzigartigkeit bestätigt. In dem neuen Buch „Mutterland – Die Familie Mann und Brasilien“ ist dieses Land ein zentrales Thema als Vorbild freundschaftlichen Beisammenseins von Menschen verschiedener Herkunft, Rassen, Kulturen und Mentalitäten.

Thomas Mann (1875-1955), Nobelpreisträger 1929, der einen deutschen Vater und eine aus Brasilien stammende Mutter hatte, sagte als 68-Jähriger, er sei sich seines lateinamerikanischen Blutes in seinen Adern immer bewusst gewesen und fühle, was er ihm als Künstler verdanke. Er nannte Brasilien sein Mutterland. Er hat es zwar nie betreten, doch seine Hinterlassenschaft zeigt, wie gut er es kannte. Dies gilt auch für andere Angehörige der großen Familie Mann. In dem neuen Buch geben drei Generationen einzigartige Anschauungsmodelle ab, wie „die Erfahrung des Fremden im Eigenen, des eigenen Entfremdens literarisch und dokumentarisch gestaltet werden kann“, schreiben die Mitverfasser Karl-Josef Kuschel (Universität Tübingen) und Paulo Astor Soethe (Universität Curitiba, Brasilien), im Prolog.

Thomas Manns Bruder Heinrich (1871-1950), der ebenfalls Brasilien nicht besuchte, veröffentlichte 1907 in einer Zeit intensiven Kontakts mit seiner Mutter den Roman „Zwischen den Rassen“, dessen „Heldin“ Lola eine exemplarische Figur des „Zwischen-den-Nationen-Seins“ ist. Gerade weil sie „von weit her“, Brasilien, kommt, bringt der Autor sie gemäß seiner politischen Vorstellungen auch in Distanz zum Wesen des damaligen deutschen Kaiserreichs.

Zwei Kapitel des neuen Buches stammen von dessen drittem Verfasser, Frido Mann, einen 1940 in Kalifornien geborenen Enkel Thomas Manns (jetzt Göttingen und Zürich). Er besuchte Brasilien seit 1994 mehrmals und entdeckte gleich, „dass dieses Land durch seine ethnische und kulturelle Vielfalt auch ein weltweites Modell für
Multikulturalität und Toleranz ist“. Ein dreibändiger Roman-Zyklus  von ihm kreist um das Thema Brasilien.

Ein ausführliches, von Professor Kuschel verfasstes Kapitel, ist dem damals international berühmten österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig gewidmet. Er zog 1934 von Wien nach London und machte 1936 seine erste Brasilien-Reise, der 1940 eine weitere folgte. In einem in dem Buch erstmals veröffentlichten Brief von dort an Thomas Manns Sohn Klaus, mit dem er seit langem in Verbindung war, nennt er Brasilien ein bezauberndes Land, „das ich liebe wie kaum ein anderes“. Er sah in ihm das einzigartige Experiment der völligen Gleichstellung von Indianern, Schwarzen, Weißen, Mulatten, von Brasilien allein vor allen Ländern der Erde durchgeführt.

1941 verfasste Zweig in den USA ein Brasilien-Buch mit dem deutschen Titel „Land der Zukunft“ - dies „vor allem durch die Vielfalt seiner Kulturen und seiner Rassen, die das Land in seiner Einheit trotzdem nicht aufsprengen“. Im gleichen Jahr nahm der Schriftsteller eine Einladung seines brasilianischen Verlegers an und zog endgültig dahin. Doch sich selber gab er dort keine Zukunft. Am 23. Februar 1942 schied der inzwischen 61-Jährige, seit längerem von Depressionen gequält, mit seiner Frau durch Einnehmen von Gift aus dem Leben.

“Mutterland“ für Thomas Mann wurde Brasilien durch die 1851 im Urwald an der Atlantikküste südlich von Rio de Janeiro geborene Tochter des ausgewanderten Lübeckers Hermann Bruhns und dessen nach der Gründung einer Exportfirma geheirateten kreolischen Brasilianerin Maria da Silva. Sie nannten sie Julia. Bruhns kehrte 1858, zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau, mit den fünf Kindern nach Lübeck zurück.

Julia heiratete dort mit noch nicht ganz 18 Jahren, wegen ihrer exotischen Schönheit eine auffallende Erscheinung, den Senator Johann Thomas Heinrich Mann. Mit ihm hatte sie dann drei Söhne und zwei Töchter. Nach dem Tod ihres Mannes 1891 siedelte sie nach München über, wo sie 1903 eine autobiografische Schrift, „Aus Dodos Kindheit“, verfasste (1958 veröffentlicht). Sie starb 1923 in Weßling, südwestlich von München. Sie hatte zwar als Erwachsene eine deutsche Identität angenommen, doch ihre Herkunft nie vergessen und ihre „südlich“-brasilianische Ausstrahlung immer behalten.



Literaturangabe:

KUSCHEL, KARL-JOSEF; MANN, FRIDO; SOETHE, PAULO ASTOR: Mutterland - Die Familie Mann und Brasilien. Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf 2009. 263 S., mit Abb., 19,90 €.

Weblink:

Artemis & Winkler Verlag

 

 


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