Von Frederike Frei
Ich frage mich, warum die Nachhaltigkeit noch nicht Eingang fand in die Literatur. Es muss wohl daran liegen: Literaten reagieren immer auf beides, auf Inhalt und Form. Beides muss stimmen, dann setzt es die Phantasie in Gang. Doch das Wort ist ein Fehlgriff, ein Übersetzungsfehler, ein unübliches Wort, es entstammt der Fachsprache von Aufförstern, die die Tännchen nachhaltig aufforsten wollen.
Nachhaltigkeit hat etwas Anstrengendes, Nerviges. Es klingt wie Nachdruck. Oder Hinterhalt. Zwischen hinter und nach tut sich nicht viel, das eine ist räumlich, das andere zeitlich. Auch Nachhall, Echo stecken darin. Halt mal nach, heißt es im Hamburger Slang. Mich überzeugt es nicht. Es hat viele Anklänge, aber keinen genauen Ort. Wir brauchen ein Wort, das jederzeit zugreift.
Der englische Begriff war zuerst: sustainability.
Die Deutschen versuchten sus und tain in dieselben Wörter zu pressen, nach und halten, das aber ist Anbiederei. Schlechtes Deutsch. So wie schlechte Übersetzungen, die das Englische einfach nachäffen im Klang, ohne das Wort neu zu denken. Ich übersetze es spontan mit Erhaltung oder Aufrechterhaltung. Was für schöne Wörter. Soviel Zeit muss sein. Hier ist Inhalt gleich Form. Wer sich die Zeit nimmt von vornherein, aufrechterhalten zu sagen, der hat schon die erste Schwelle überschritten. Er beginnt neu, und zwar mit beidem: mit der Ruhe, um umzudenken und mit der Sprache, die sich um einen genauen Ausdruck bemüht. Denn die Sprache ist zur Verständigung da. Und nur das ist glaubwürdig, und nur das setzt die Dinge in Gang, und nur das findet Nachahmer. Die Nachhaltigkeit-Sager grassieren, aber solange das Wort uns Literaten nicht überzeugt, solange wird das Wort nicht in den Volksmund genommen werden und nur, wenn es dort liegen bleibt, dann wird es auch gesagt und getan.
Frederike Frei ist Autorin und Literaturveranstalterin. Sie lebt in Potsdam (www.frederikefrei.de)