Von Karolin Köcher
Autos wie die Ente und der Käfer, Brieffreunde und Bonanza, Compact Cassetten und Cowboys—einst vertraute Gegenstände und Phänomene, gestern noch da und heute verschwunden. Die Radiomoderatoren Volker Wieprecht und Robert Skuppin wollten das nicht hinnehmen und verfassten mit ihrem „Lexikon der verschwundenen Dinge“ eine Art Nachruf auf Käseigel, Partykeller und Konsorten. Beide sind Mitte 40 (Jahrgang 1963/64), und so sind es vor allem Alltagserscheinungen aus den 60er, 70er und 80er Jahren, die sie auf größtenteils amüsante Weise noch einmal in Erinnerung rufen. Dabei lassen sie aber nicht nur Gegenstände wie Einkaufsnetze, Schreibmaschinen, Stopfpilze oder Herrenhandtaschen in alphabetischer Reihenfolge Revue passieren, sondern sie erinnern auch an von der Bildfläche verschwundene Personen wie Margot Honecker oder an Quizmaster und Entertainer wie Wim Thoelke, Robert Lembke oder Hans Rosenthal („Dalli-Dalli“).
In ihrem Lexikon finden sich auch vermeintlich verschwundene Eigenschaften und Tugenden wie Aufmerksamkeit oder (höchste) Konzentrationsfähigkeit. Mit spitzer Feder skizziert, kritisieren sie in ihrem Buch damit auch den Zeitgeist und die heutige Schnelllebigkeit. Leider können sie sich in diesem Zuge auch manchen Ratschlag nicht verkneifen: „Machen Sie hin- und wieder ruhig mal eine Informationsdiät. Lassen Sie sich nicht Ihre Sinne zumüllen.“
Wieprecht und Skuppin listen nicht nur auf. Sie versuchen auch zu begründen, warum viele Dinge nicht überlebt haben. So sei ein Grund für das Verschwinden des Partykellers das wachsende Bedürfnis der Menschen gewesen, ihre sozialen Kontakte zu erhöhen—zu acht im Keller schwerlich möglich. Entsprechend komplexer erwartungsgemäß ihre Analyse zum Zusammenbruch der Friedensbewegung.
Doch nicht alle der in dem Buch aufgelisteten Dinge sind wirklich verschwunden. Einiges existiert auch heute noch, wenn auch bisweilen in modifizierter Form. Auch heute noch vergnügen Kinder sich mit dem glibberigen Scherzartikel „Slime“ oder wie auch immer er sich nun nennt. Flokatis gibt es auch heute noch in vielen Wohnzimmern, und die Missionarsstellung—naja. Selbst bei jenen, die den beiden Autoren nicht in jeder Hinsicht folgen mögen, stellt sich beim Lesen sicher eine wohlige Wehmut ein.
Literaturangabe:
WIEPRECHT, VOLKER / SKUPPIN, ROBERT: Das Lexikon der verschwundenen Dinge. Rowohlt Verlag, Berlin 2009. 228 S., 17,90 €.
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