BERLIN (BLK) – Die politische Analyse „Neonazis in Nadelstreifen“ von Andreas Speit und Andrea Röpke ist im Dezember 2008 beim Ch. Links Verlag erschienen.
Klappentext: In den letzten Jahren konnte die NPD nicht nur Wahlerfolge verbuchen. Im Schulterschluss mit den „Freien Kameradschaften“ ist es ihr auch gelungen, vielerorts eine rechte Alltagskultur zu etablieren. Der Grund für den Erfolg ist ein politischer Strategiewechsel, mit dem sich die Partei ein neues Image zu geben versucht: Sie greift soziale Ängste und regionale Probleme auf, und ihre Mitglieder engagieren sich in Vereinen, Elterngruppen und ehrenamtlichen Initiativen, um die NPD auf kommunaler Ebene stärker zu verankern. Doch auch im Gewand des Biedermannes werden die alten völkischen Botschaften verbreitet, und die Zahl rechtsextremer Gewalttaten nimmt zu. Die Autoren dieses Buches analysieren die Wahlkampfstrategie und ideologische Neuausrichtung der NPD, untersuchen ihre Finanzquellen, schildern die Aktivitäten der „nationalen Frauen“ und der Heimattreuen Deutschen Jugend sowie das Vordringen der Partei in die Rechtsrock-Szene.
Andreas Speit: Jahrgang 1966, Sozialwirt und freier Journalist, Mitarbeiter der „taz Hamburg“, regelmäßige Beiträge für „Freitag, blick nach rechts“ und „Der Rechte Rand“. Autor und Herausgeber diverser Bücher zum Bereich Rechtsextremismus, darunter „Ästhetische Mobilmachung“, Münster 2001, „Ronald Schill – Der Rechtssprecher“, Hamburg 2002.
Andrea Röpke: Jahrgang 1965, Politologin und freie Journalistin. Ihr Spezialgebiet: Nationalsozialismus und Rechtsextremismus. Neben den diversen Fernsehmagazinen wie „Panorama“, „Fakt“, „Kennzeichen D“ und „Spiegel TV“ wurden ihre aufwendigen Inside-Recherchen im Neonazi-Milieu auch in „Spiegel“, „Focus“ und „Stern“ veröffentlicht. Die „Stern“-Geschichte über den Massenmord an Zwangsarbeiterbabies wurde mit dem Deutsch-Polnischen Journalistenpreis ausgezeichnet.
Leseprobe:
©Ch. Links Verlag©
Einleitung
Professionalisierung und Modernisierung der Partei –
Sozial, national, radikal – Angestrebter Imagewandel
„Klasse statt Masse!“, lautet eine Maxime von Udo Voigt. Der Bundesvorsitzende der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) bekräftigte jüngst diese Haltung in einem Interview mit der extrem rechten Zeitschrift „Hier & Jetzt“: „Wir brauchen Führungskräfte und keine Kleiderfetischisten.“ Der Erfolg der NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern hat den Wandel der Partei beschleunigt. Die einstige „Altherrenpartei“ steht für die rechte Szene als neuer Hoffnungsträger da. Trotz mancher Pleiten und Pannen: Neue Mitglieder kommen, beleben Parteistrukturen und Politikalltag, intellektuelle „Neue Rechte“ feilen an Programmen und Argumenten. Die Partei eint der Wille, bürgernah und jugendgemäß zu erscheinen, um wählbarer zu werden. Insbesondere im Schweriner Landtag haben die sechs NPD-Ab geordneten um Udo Pastörs aus der personellen Schlammschlacht der Kollegen in Dresden gelernt, die dort die Fraktionsarbeit anfänglich bremste. Nach über 100 Tagen im Amt demonstriert Pastörs’ Fraktionstruppe immer noch Geschlossenheit. Als Erfolg verbucht sie auch die Teilnahme ihres Anführers beim Neujahrsempfang der „Industrie- und Handelskammer“ 2008 im feinen Schweriner Staatstheater. Der Nadelstreifen-Neonazi saß in der ersten Reihe – mit freiem Blick auf die Redner und den Ministerpräsidenten.
Die NPD schickt sich an, einen alten Traum zu verwirklichen: sich als „nationale Sammlungsbewegung“ zu etablieren, die die Führung im extrem rechten Lager übernimmt. So hat sie in den letzten Jahren nicht nur ihre Mitgliederzahl auf 7.200 verdoppeln können und ist damit zur mitgliederstärksten Partei der völkisch-nationalistischen Bewegung geworden, sondern hat sich auch zu einem „Gravitationsfeld“ der rechten Szene entwickelt. Bei der Bundestagswahl 2005 votierten rund 250.000 Wähler für die NPD. „In Mitteldeutschland findet eine geräuschlose völkische Graswurzelrevolution statt“, frohlockt Parteitheoretiker Jürgen Gansel hinsichtlich des Wählerpotentials in den neuen Bundesländern.
Für diesen Erfolg ist eine neue Strategie verantwortlich, die sich in den letzten Jahren immer deutlicher herauskristallisiert hat. Ihre Elemente sind Professionalisierung und Modernisierung der Partei, eine veränderte Bündnispolitik sowie eine gezielte Einbindung von rechten Milieus, die der früher eher altbacken auftretenden NPD bislang skeptisch gegenüberstanden: die „Freien Kameradschaften“ mit ihrem Umfeld zwischen aggressivem Rechtsrock und gewaltbereiten Neonazis.
Neben den „klassischen“ ausländerfeindlichen Kampagnen setzt die NPD längst verstärkt auf soziale und regionale Themen, sei es Hartz IV oder „Heimatschutz“. Vor allem aber forciert die Partei kommunalpolitische Aktivitäten und gemeinnütziges Engagement ihrer Mitglieder, durch die sie sich eine größere gesellschaftliche Akzeptanz als bisher verspricht. Auch in dieser Hinsicht hat Udo Voigt schon vor rund zehn Jahren die langfristige Marschrichtung vorgegeben: „Bürgernähe zeigen, vor Ort siegen – auf kommunaler Ebene kann die Ausgrenzung unterlaufen werden.“ Durch die kommunale Verankerung sollen ganz neue Wählerschichten gewonnen werden.
Die Partei ist dabei, einen Imagewandel auch im äußeren Erscheinungsbild zu vollziehen: weg von der glatzköpfi gen Skinhead- und Hooligan-Partei hin zur seriös-biederen Interessenvertretung des kleinen Mannes. Dazu gehören Anzug, Schlips und Scheitel, selbstbewusstes Auftreten und rhetorische Schlagfertigkeit ebenso wie das offene Bekenntnis zur Radikalität, mit der man sich im Kampf gegen die „herrschenden Bonzen“ als einzig wahre Opposition empfiehlt. Sozial, national, radikal – das ist der Dreiklang, mit dem die NPD populistisch auf Stimmenfang geht. Und die kommunale Verankerung soll dafür sorgen, dass nicht nur Protestwähler kurzfristig an die Wahlurne gelockt werden, sondern das Protestpotential nachhaltig an die Partei gebunden wird.
Mit dieser zweigleisigen Politik von „Verbürgerlichung“ und Radikalisierung durch die Öffnung für gewalttätige Kameradschaftsführer wandelt die NPD auf einem schmalen Grat. Bisher ist es der Parteiführung unter Udo Voigt gelungen, die sich daraus ergebenden Spannungen auszubalancieren. Die Wahlerfolge in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern halfen Voigt, den Kurs beizubehalten. Und obwohl die NPD mit ihrem versuchten „Sprung in den Westen“ bei der niedersächsischen Landtagswahl mit 1,5 Prozent der abgegebenen Stimmen scheiterte, so ist sie doch gegenüber der Bundestagswahl 2005 mit über 50.000 Wählern stabil geblieben. Denn die NPD ist auch intelligenter geworden, Chancen werden realistisch eingeschätzt. Und sie ist gelassener im Umgang mit „personellen Schwierigkeiten“ geworden. Bundesvorstandsmitglieder wie der mehrfach verurteilte Thor ten Heise werden nicht öffentlich abgemahnt, wenn bei einer Razzia in seinem Haus Waffen und belastende Tonträger gefunden werden. Nationalistisch gesinnte Straftäter werden für den Landtagswahlkampf in Niedersachsen mit offenen Armen aufgenommen, um sie in den eigenen Reihen „zu resozialisieren“. Reue müssen diese Aktivisten für ihre oftmals brutalen Taten nicht zeigen.
Der Einfluss radikaler „Freier Nationalisten“ innerhalb der NPD ist gewachsen. Die Hälfte der Führungsmannschaft im Schweriner Landtag besteht aus Kameradschaftsaktivisten. Auch ehemalige Politikkader demokratiefeindlicher, verbotener Kameradschaften wie Matthias Fischer von der Fränkischen Aktionsfront machen nun Karriere bei der bayerischen NPD, und finanzstarke, aber unkontrollierbare Gesinnungstäter wie Jürgen Rieger können offen einem Hitlerismus frönen. Sie alle werden toleriert.
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Literaturangaben:
SPEIT, ANDREAS/RÖPKE, ANDREA: Neonazis in Nadelstreifen. Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft. Ch. Links Verlag, Berlin 2008. 208 S., 16,90 €.
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