Ein Kleinod der ungarischen Literatur aus dem Jahr 1963 hat der Rowohlt Berlin Verlag neu entdeckt und verlegt: Szilárd Rubins „Kurze Geschichte von der ewigen Liebe“. Die Literaturkritik ist begeistert von dem Text: Als „mühelos vollkommen“ ist er in der „Frankfurter Allgemeinen“ beschrieben worden, ein „Wunder“ nannte ihn das ungarische Magazin „Magyar Narancs“. Von Proust bis zum „Großen Gatsby“ reichen die Vergleiche, mit denen der 1927 geborene und in Budapest lebende Rubin heute gefeiert wird.
Schauplatz von Rubins Reigen einer Liebesbesessenheit ist das Ungarn während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Attila und Orsolya sind die beiden ungleichen Partner, die sich 1945 nach dem Ende des Kriegs in Ungarn wieder treffen. Sie kannten sich schon aus Kindertagen. Attila geht seinen Träumen und Lebensplänen nach, ergeht sich in der Schönheit der Natur, erzählt von seinen Erlebnissen mit Freunden und begeistert sich für seine schöne Freundin. Er sehnt sich nach einem erfolgreichen Poetenleben. Seine Freundin Orsolya, die aus großbürgerlichem deutsch-ungarischen Elternhaus stammt, trägt die Wunden des verbrannten Dresden noch in sich, nachdem sie in ihr ehemaliges Elternhaus in Ungarn zurückkehrt. Hat Attila in ihrem Elternhaus überhaupt eine Chance auf ein Willkommen? Er gilt dort als erfolgloser Poet.
Freundschaften, Gespräche und die Nachkriegszeit bieten den Rahmen, in dem sich die Liebe der beiden Protagonisten abspielt. Es geht zwischen Romantik und Realität auf schwankendem Boden unermüdlich auf und ab zwischen den beiden. Überwältigende Szenen zeigen die Wollust der Sinne und den Zauber heißer Nächte, in denen Attila und Orsolya sich von der Tanzfläche schleichen, um im Teich des Parks ein Bad zu nehmen. „Zwischen den Bäumen hindurch schallte die Tanzmusik zu uns her, und wir sahen dem Gewirbel der bunten Kleider zu.“
Die Gefühlswelt der beiden Protagonisten spiegelt den vergangenen Krieg und das sich verändernde Europa. Poetische Betrachtungen thematisieren die Grausamkeit des Krieges, der Leser erfährt wie politische Ideologien die Gemüter verwirrt haben und der Jugend ihren Zauber nahmen. In einem Rausch der Sinne tanzt und feiert die Ungarns Jeunesse dorée in euphorischem Gemeinschaftsgefühl, um sich im Vergessen zu üben. Es ist wie ein Tanz auf dem Vulkan. Nach dem Ende ihrer Studien zerstreuen die Freunde sich in unterschiedliche Richtungen und arbeiten erfolgreich in ihren Berufen. Nur Attilas poetische Übungen misslingen unter der neuen Herrschaft des großen russischen Übervaters.
Attila und Orsolya verpassen ihr Glück miteinander und zermürben sich in einem von Hass gefärbten, besessenen und Besitz ergreifenden Liebeskrieg. Der Leser wird Zeuge der Verwandlung einer großen Liebe. Attila sieht noch einmal im Rückblick die kleinen Mädchen seiner Kindheit mit ihren Samthöschen und kleinen Stiefeln - aber es ist vorbei. Die Zeit der Unschuld und des Glaubens an eine glückliche Zukunft endet im Desaster: die Romanze zerplatzt, der unglückliche Poet wird zum Diener fremder Herren.
Tief berührt liest man Sätze von durchsichtiger Reinheit und sehnsuchtsvollen Erinnerungen. Rubins Beobachtungen umfassen Stimmungen und Gefühle, Trauer, Besessenheit und vergehendes Glück und das Ende einer großen Liebe. Mit feinfühligen Bildern geht er dem Hass und der Liebe auf den Grund, und man staunt über die Emphase, mit der sich seine poetischen Eindrücke in den Texten spiegeln.
Das Buch ist eine Entdeckung für alle Liebhaber der großen und einmaligen Werke der Literaturgeschichte.
Von Claudine Borries
Literaturangabe:
RUBIN, SZILÁRD: Kurze Geschichte von der ewigen Liebe. Übersetzt von Andrea Ikker. Rowohlt Verlag, Berlin 2009. 224 Seiten, 17,90 €.
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