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Fritz Eschen - neuer Fotoband

Fritz Eschens atemberaubende Bilder aus Berlin 1945-1955

© Die Berliner Literaturkritik, 29.06.10
Fritz Eschen, Berlin 1948, Brandenburger Tor (c) Deutsche Fotothek Dresden / Lehmstedt Verlag Leipzig, 2010

Von Matthias Reichelt

Seit seiner Gründung im Jahr 2003 nimmt sich der kleine Lehmstedt Verlag in Leipzig der „Kulturgeschichte Mitteldeutschlands“ an, wie der Schwerpunkt von ihm selbst beschrieben wird. Darunter fällt eine gleichermaßen liebevolle wie sorgfältig edierte Reihe von fotohistorischen Büchern zu erschwinglichen Preisen, bei denen die Druckqualität erfreulicherweise von Band zu Band gesteigert wurde. Nach Bänden mit Fotografien ehemaliger DDR-Fotografen wie z.B. von Gerhard Weber über das „Land der Mulde“ oder über den kürzlich verstorbenen Roger Melis und Bernhard Heydens Fotografien aus dem Prenzlauer Berg ist nun ein Buch mit den Nachkriegsbildern von Fritz Eschen erschienen.

Eschens Werk ist nicht unbekannt und wurde in vielen Büchern in unterschiedlicher Auswahl publiziert. Dies ist das wohl umfangreichste Buch und vereint Fotografien, die während der ersten zehn Nachkriegsjahre in Berlin entstanden.

Fritz Eschen wurde 1900 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Berlin geboren. Nach einer kaufmännischen Ausbildung arbeitete er in verschiedenen Firmen. Mit der Heirat der Tochter des Firmeninhabers der Privat-Telefongesellschaft erlangte er eine Position in der Geschäftsführung, die ihn jedoch nicht glücklich machte. Wie Jens Bove in seinem Aufsatz des vorliegenden Buches ausführt, wollte er dem „höchst ungeliebten Büroalltag“ entfliehen. Ab 1928 begann er als Autodidakt eine Karriere als freier Fotograf für die Agenturen Associated Press und Defot und Neofot-Fotag und durchstreifte das kulturelle und öffentliche Leben in Berlin mit erstaunlichen Resultaten.

1933 bedeutete für ihn ebenso wie andere jüdische Berufstätige eine Zäsur. Die Nazis sorgten dafür, dass er aus dem „Reichsverband der Deutschen Presse“ ausgeschlossen wurde, was einem Berufsverbot gleichkam. Seine zweite Ehe mit der nichtjüdischen Lipsy Thumm bewahrte ihn lange vor der Deportation, während seine erste Frau Rose sowie der gemeinsame Sohn Peter in Auschwitz ermordet wurden. Fritz Eschen wurde zur Zwangsarbeit verpflichtet und sollte dann doch noch deportiert werden. 1943 gehörte er glücklicherweise zu den in der Rosenstraße inhaftierten Juden, die aufgrund erfolgreicher und öffentlicher Proteste vor allem von nichtjüdischen Ehefrauen freigelassen werden mussten.

Gleich nach der Befreiung zog Fritz Eschen mit seiner Kamera, die nach eigenem Bekunden „ein untrennbarer Bestandteil meines Daseins“ geworden war, durch das zerstörte Berlin und hielt die Versuche zivilen Lebens inmitten von Trümmern fest. Was für die meisten Deutschen als Fiasko, Entbehrung und Leiden empfunden wurde, war für Eschen die wiedergefundene Freiheit und die Rückkehr eines würdevollen Lebens. Besonders die Kinder, frei von jeglicher Schuld am Genozid sowie am Krieg, stellte er nur zu gerne in den Fokus seiner Fotografien. In jenen Bildern ist eine deutliche Empathie Eschens für die Kinder zu spüren. Die Aufnahmen, die das Leben von Erwachsenen in der Trümmerstadt zeigen, sind dagegen von einer Distanz geprägt und folgen eher dem Bedürfnis der Dokumentation einer schweren Zeit.

Eschens wohlwollende Haltung zu portraitierten Antifaschisten wie dem Kabarettisten und Schauspieler Werner Fink, der sich sehr mutig als Nazigegner durchs Dritte Reich schlug, ist ebenso deutlich spürbar wie die zu Erich Kästner, den er inmitten von Kindern seines Stücks „Emil und die Detektive“ 1947 ablichtete.

Der Sohn aus zweiter Ehe, Klaus Eschen, wurde wie sein Vater ebenfalls Fotojournalist, studierte aber später Jura. Neben der Berlinischen Galerie und anderen Institutionen nahm er sich des fotografischen Nachlasses des Vaters an. Klaus Eschen wird einigen noch als Mitglied des Sozialistischen Anwaltkollektivs und als Mitbegründer des Republikanischen Anwaltsvereins in Westberlin während der Studentenbewegung bekannt sein. Doch zurück zum Vater: Atemberaubend sind dessen Bilder der Trümmertopographie bekannter Straßenecken in Mitte und im westlichen Berlin.

Fritz Eschen konnte nach dem Krieg eine beachtliche Karriere als Fotograf ausbauen und arbeite für alle wesentlichen Zeitungen in Berlin. Gleich 1946 wurde er zum Vorsitzenden der neugegründeten „Arbeitsgemeinschaft der Bildreporter“ im „Verband der Deutschen Presse“ gewählt. Als er 1964 während der Arbeit an einer Reportage starb, hinterließ er ein Archiv mit ca. 90.000 Aufnahmen im Mittelformat.

Literaturangabe:

ESCHEN, FRITZ: Berlin unterm Notdach. Fotografien 1945-1955. Im Auftrag der Deutschen Fotothek hrsg. von Mathias Bertram und Jens Bove. Bilder und Zeiten, Band 8. 176 S., 154 ganzseitige Abbildungen, 24,90 €.

Weblink:

Lehmstedt Verlag


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