Von Frauke Kaberka
Für Peter steht fest: Töchter sind in erster Linie Vater-Kinder. Schlimm nur, dass der Held in Thomas Hettches neuem Roman „Die Liebe der Väter“ selbst so wenig von seiner Tochter hat. Denn die lebt bei der Mutter, und er hat so gar nichts zu sagen. Das wurmt ihn gewaltig. Tatsächlich ist sein Verhältnis zur 13-jährigen Annika, die er nur selten sehen darf, ambivalent, ja äußerst schwierig.
So erhofft er sich von dem Jahresendurlaub auf Sylt zusammen mit seiner Tochter eine Menge. Zumal seine Jugend-Flamme Susanne mit ihrer Familie dabei ist - als Puffer und als aufbauende Jugenderinnerung. Was Hettche dann beschreibt, ist ein wechselnder Vater-Tochter-Magnetismus - Anziehung und Abstoßung, basierend auf tiefen Gefühlen, für die keiner der Protagonisten die richtigen Worte findet. Es sind auch die falschen Töne, die die Tage auf der Insel verdunkeln - mit einem Showdown am Silvesterabend.
Es ist eine spannende Geschichte, die Hettche um das Bemühen eines Mannes konstruiert, seine Tochter zu lieben. Er macht mit viel Einfühlungsvermögen die verschiedenen Gefühlswelten erlebbar. Seine Bilder sind so naturgetreu gezeichnet, dass Menschen und Natur plastisch werden. Die Verknüpfung der inneren und äußeren Bewegungen ist gelungen und meist homogen.
Die von Hettche gewählte Ich-Form mag ein Kunstgriff sein, um so Peters Frust auf die Mutter des gemeinsames Kindes schonungslos und eindeutig freien Lauf zu lassen. Denn für die normalerweise ausgleichende Gegenposition aus Frauensicht gibt es hier logischerweise keinen Spielraum. Und doch passen die mitunter sehr bösen Attacken auf Annikas Mutter nicht ganz zu dem Bild, das Hettche ansonsten von dem sensiblen, depressiven Mann zeichnet.
Vielleicht sucht Hettche eine neutralisierende Balance durch Peters mehrfaches Eingeständnis, unfähig zu sein, seine halbwüchsige Tochter zu verstehen, sie oft verprellt und verletzt zu haben. Peters Verhalten, das in einer väterlichen Ohrfeige auf der Silvesterfete gipfelt, ist nicht unbedingt immer nachvollziehbar.
„Die Liebe der Väter“ ist dennoch lesenswert, weil es nicht das Buch eines Entrechteten ist, der sich wegen seiner Verfehlung einem Tribunal stellen muss, sondern einen Mann porträtiert, der gern ein guter Vater sein möchte - mit all seinen Fehlern.
Hettche, Thomas: Die Liebe der Väter, Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln, 225 S., 16,95 €.