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Neuer Petterson-Roman

„Ich verfluche den Fluss der Zeit“ von Per Petterson

© Die Berliner Literaturkritik, 07.08.09

Von Thomas Borchert

Die Juroren beim Nordischen Literaturpreis haben ihre Begeisterung für Per Pettersons neuen Roman in einen klugen Satz gepackt: „In seiner stillen poetischen Prosa zeigt er, wie schwer es uns fällt, gerade die Dinge zu sagen, von denen wir spüren, dass sie am dringendsten gesagt werden müssen.“ Der 1952 geborene Norweger hatte auch in den deutschsprachigen Ländern mit seinem Buch „Pferde stehlen“ ein begeistertes Publikum gefunden. Darin erzählt er von Sommererlebnissen eines 15-Jährigen. Mit seinem neuen Roman „Ich verfluche den Fluss der Zeit“ kehrt Petterson wieder zurück zu Arvid Jansen, seinem Alter Ego aus früheren Romanen.

Der 37-Jährige reist seiner krebskranken Mutter nach der schlimmen Diagnose hinterher in das Sommerhaus ihrer dänischen Heimat, um da zu sein und zu helfen. Er muss aber feststellen, dass er selbst, nach fünfzehn Jahren Ehe gerade vor der Scheidung, der viel Hilfsbedürftigere ist.

„Bist du blank?“ fragt die Mutter zur Begrüßung, als sie am dänischen Strand den unangemeldet aus Oslo angereisten Sohn erblickt. Die ernüchternde Frage ist schon ein bisschen Programm. Arvid hat in seinem Leben nie so recht was auf die Reihe gekriegt. So sieht er es selbst, und diese Sicht schreibt er auch der viel zupackenderen, stärkeren Mutter zu. Vielleicht könnte man aber doch im Blick zurück das Selbstbild und das der Mutter vom Sohn noch einmal ändern? Diesen Kampf kann Arvid nicht gewinnen, und auch deshalb bleibt ihm aus seiner maoistischen Vergangenheit eine Gedichtzeile des Vorsitzenden Mao im Gedächtnis haften: „Ich verfluche den Fluss der Zeit.“

Die maoistische Phase der 70er Jahre mit freiwilliger Fabrikarbeit und hoffnungslosen Missionsversuchen bei der Arbeiterklasse bildet den zweiten Handlungsstrang. Petterson hat das selbst durchgemacht und ist wie Arvid anschließend Bibliothekar geworden. Auf diesen Teil des Romans würde man gern verzichten. Er fällt seltsam leblos gegen die spannend zu lesende Geschichte zwischen Mutter und Sohn ab.

Als der Sprössling eines Fabrikarbeiters und einer Arbeiterin nach dem Abitur von seinen Fabrikplänen erzählt, bekommt er in Bergersens Konditorei eine Ohrfeige und den mütterlichen Kommentar: „Du Idiot.“ Fünf Jahre später sieht Arvid das genauso, was aber nichts an seinem Schmerz darüber ändert, von der Mutter immer und allzeit verkannt geworden zu sein: „Etwas an meiner Person stimmte sie skeptisch.“

Auch bei der Begegnung im dänischen Sommerhaus im schicksalsschweren November 1989, als etliche Mauern brachen, brach diese eben nicht. Fast alles bleibt weiter unausgesprochen. Nur die gemeinsame Begeisterung für Bücher und Filme führt zu einer späten Annäherung zwischen Mutter und Sohn. Petterson operiert wieder mit Zeitsprüngen, und so verarbeitet er nach und nach auch seine eigene Familiengeschichte.

Literaturangabe:

PETTERSON, PER: „Ich verfluche den Fluss der Zeit“. Hanser Verlag, München 2009. 240 S., 17,90 €.

Weblink:

Hanser Verlag


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