Werbung

Werbung

Werbung

Neuerscheinungen Belletristik

Eine Sammelrezension neuer Literatur

© Die Berliner Literaturkritik, 10.06.09

Roman über das Leben einer chinesischen Skandalmalerin

Über das Leben der Chinesin Pan Yuliang gibt es kaum Quellen und Zeugnisse. Ausreichend Gelegenheit also für eine Autorin wie Jennifer Cody Epstein, sich eine mögliche Biografie dieser ungewöhnlichen und vom Schicksal getriebenen Künstlerin auszumalen. In ihrem Debütroman „Die eiserne Orchidee“ versetzt die US-Amerikanerin ihre Leser in das China Anfang des 20. Jahrhunderts. Yuliang hat früh ihre Eltern verloren, sie wird von ihrem Onkel an ein Bordell verscherbelt und von einem Geschäftsmann freigekauft, der sie zu seiner Konkubine macht. Mit seiner Hilfe kann sie als eine der ersten Frauen des Landes an der Kunstakademie studieren, sie gewinnt ein Stipendium nach Frankreich—und beginnt dort eine Affäre mit einem Studenten. Immer wieder muss sie als moderne Frau anrennen gegen die strenge Tradition ihrer Heimat. Im Buch lässt Yuliang Ende der 60er Jahre ihr Leben Revue passieren. Epstein gelingt es, ein Bild der damaligen Zeit zu entwerfen, in dem China zur Republik wird und der Kommunismus seine Anhänger findet. Weitere Spannung erfährt der emotional gehaltene Roman durch die häufigen Erzählsprünge zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Die wahre Pan Yuliang sorgte mit ihren Aktbildern in China für Skandale. Sie starb 1977 in Paris.

„Der Fluss“: Selbstfindung eines jungen Musikers

Der norwegische Autor Ketil Bjørnstad spinnt mit der Geschichte „Der Fluss“ das Leben des Jungpianisten Aksel Vinding aus seinem Roman „Vindings Spiel“ weiter: Aksel rettet Marianna vor dem Ertrinken, verliebt sich in die um vieles ältere Frau. Mit ihr verbindet ihn nicht nur Leidenschaft, sie ist auch die Mutter seiner früheren Freundin, angehende Pianistin wie er selbst, die dem Druck, dem die Debütanten ausgesetzt sind, nicht widerstehen konnte und an Magersucht starb. Nach dieser Erfahrung muss Aksel sich entscheiden, ob er ein normales Leben führen oder seiner Besessenheit von der Musik nachgeben will. Sein erster öffentlicher Auftritt als Pianist verläuft verheißungsvoll, und er beschließt spontan, auch seine eigene Komposition „Elven»“, der Fluss zu spielen. Wie ein Strom fließt auch die ruhige und doch mitreißende Sprache des Autors—selbst Pianist und Komponist—dahin. Ihm gelingt mit diesem Buch ein bewegender Entwicklungs- und Künstlerroman.

Das „Pariser Tagebuch 1942-1944“ einer Jüdin

Noch im Frühjahr 1942 kostet die französische Literaturstudentin Hélène Berr den Frühling im besetzten Paris in allen Zügen aus. Ihre Jugend, ihre frische Verliebtheit lassen sie lange den Schikanen trotzen, denen sie als Jüdin ausgesetzt ist. Sie setzt ihnen Entschlossenheit entgegen, versteckt sich nicht, hilft internierten Juden. Ihr „Pariser Tagebuch 1942-1944“ dokumentiert, wie in dieser Zeit ihr Lebensmut, ihre Zuversicht verlöschen, wie sie mürbe und müde wird und doch überlegt, ob nicht dereinst Nachgeborene fragen werden: „Wieso hast du, obwohl du das wusstest, nichts unternommen, um es zu vermeiden?“ An einem Märzabend 1944 verzichten ihre verbliebene Familie und sie darauf, sich wieder einmal ein Versteck für die Nacht zu suchen, sie werden verhaftet, dann interniert. Berr stirbt kurz vor dessen Befreiung im April 1945 im Konzentrationslager Bergen - Belsen. Ihre von großem schriftstellerischem Talent zeugenden Aufzeichnungen wurden erst letztes Jahr in Frankreich veröffentlicht.

„Familienbrand“: Bulgariens Weg ins 20. Jahrhundert

Nach „Verfall“ liegt nun Vladimir Zarevs zweites Buch in deutscher Fassung vor. Wieder beschreibt der bulgarische Autor anhand der Schicksale Einzelner, diesmal der Familie Weltschev, die Umbrüche in seinem Land auf dem Weg vom Sozialismus in den Kapitalismus. Sein Epos schildert die Geschichte der Witwe Weltschev und ihrer fünf Kinder. Der eine Sohn macht Karriere als Banker, der andere als Fabrikant und Ausbeuter, der Dritte wird zum Helden des Sozialismus, obwohl er das gar nicht will, der Vierte plant den Bau einer Kirche als Ort der Buße, und die einzige Tochter hat hellseherische Fähigkeiten, die sie in die Zukunft blicken lassen. Der Umfang des Buches mit knapp 800 Seiten spiegelt die Lust des Autors am Geschichtenerzählen wider. Das hat oft Längen, aber mitreißend ist diese Lust allemal.

„Kopf unter Wasser“ als Berliner Sittengemälde

„Liebesroman“ nennt Andre Kubiczek irreführend sein neues Werk „Kopf unter Wasser“. Denn das ist es weniger als das ziemlich gnadenlose und boshafte Porträt einer Generation, die ihre Illusionen verloren hat und nur noch mit Ironie auf ihre Umwelt reagiert. Kubiczek erzählt von Henry, dem einstigen gefeierten Kolumnisten und Bestsellerautor, der sich im Sommer 1999 nach einem Leben auf hohem Niveau aufgegeben hat, der sich hinterfragen muss und unter der Trennung von seiner Freundin leidet, bis er fällt und dort landet, wo er herkommt: in der Provinz. In Henry hat sich der Autor ein regelrechtes Feindbild geschaffen: Distanziert und ein wenig respektlos beschreibt Kubiczek seinen ostdeutschen Helden und die Kulturschickeria, die ihn umgibt. Ein Mord frischt das ganze noch ein wenig auf, aber richtig packen kann das Werk den Leser dennoch nicht. Zwar bietet Kubiczek zwei clever gekoppelte Erzählebenen, doch wirkt der stets belanglose und angeschlagene Protagonist lähmend.

Literaturangaben:

EPSTEIN, JENNIFER CODY: Die eiserne Orchidee. Übersetz aus dem Englischen von Daniel Schnurrenberger. Btb Verlag, München 2009. 480 S., 12,00 €.
BJORNSTAD, KETIL: Der Fluss. Aus dem Norwegischen von Lothar Schneider. Insel Verlag, Frankfurt 2009. 382 S., 22,80 €.
BERR, HELENE: Pariser Tagebuch 1942 – 1944. Hanser Verlag, München, 318 S., 21,50 €.
ZAREVS, VLADIMIR: Familienbrand. Übersetzt aus dem Bulgarischen von Thomas Frahm. Deuticke Verlag, Wien 2009. 783 S., 25,90 €.
KUBICZEK, ANDRE: Kopf unter Wasser. Piper Verlag, München/Zürich 2009. 234 S., 18,00 €.

Weblinks:

Btb Verlag

Insel Verlag

Hanser Verlag

Deuticke Verlag

Piper Verlag


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: