Von Werner Herpell
Eine transatlantische Partnerschaft, die in der Luft lag und doch überrascht: Der geschätzte US-Piano-Rocker Ben Folds komponiert, spielt und singt, der populäre britische Autor Nick Hornby liefert die Songtexte. Das Folds/Hornby-Album „Lonely Avenue“ (Nonesuch/Warner; Veröffentlichung 24. September) ist aber nicht nur ein cleveres Crossover-Produkt, sondern eine der gelungensten Platten dieses Herbstes.
Die Vorgeschichte reicht weit zurück. Im Jahr 2003 veröffentlichte der durch Romane wie „Fever Pitch“, „High Fidelity“ und „About A Boy“ bereits erfolgsverwöhnte Hornby das schmale Bändchen „31 Songs“, in dem er auf charmante Weise seinen Musikgeschmack ausbreitete. Als ein Beispiel für großes Songwriting wählte er „Smoke“ von Ben Folds: „Eines der schlauesten, weisesten Lieder über den schleichenden Tod einer Beziehung“, urteilte Hornby. Folds galt ihm fortan als grandioser Pop-Lyriker.
Widerspruch kam per E-Mail ausgerechnet vom Hochgelobten: Die bittersüßen „Smoke“-Lyrics stammten nämlich von Folds' Ex-Frau. „Nicht er selbst, sondern sie war das Genie hinter Ben Folds“, erinnert sich Hornby immer noch leicht irritiert im Interview des „Musikexpress“ (Oktober) an diese Pointe. „Der einzige Text, den ich auf diesem Album nicht selbst geschrieben hatte“, versichert der Songwriter. Weil sich in Folds' Gesamtwerk durchaus eigene Schätze finden ließen, blieben die beiden in locker-respektvollem Kontakt.
Bis die Zeit reif war für „Lonely Avenue“. Bei einem Abendessen im vorigen Jahr entstand die Idee eines gemeinsamen Projekts. Hornby erkannte in Folds, „dass dieser Mensch eine Musiker-Version von mir ist“, wie er kürzlich dem britischen „Guardian“ erzählte. Der Schriftsteller mailte also seine schon als Kurzgeschichten im Songformat angelegten Texte, der Musiker fand dazu die Melodien.
Die elf Lieder verströmen nun frechen Wortwitz auf der einen Seite und kitschfreie Melancholie auf der anderen. Sie sind damit auch ziemlich repräsentativ für die Erfolgsformel beider Künstler. Ben Folds (44), eine Art schräger Elton John für Indiepop-Fans, hat seit Mitte der 90er Jahre als Band-Boss und Solo-Musiker einige Millionen Platten verkauft. Hornby (53) schreibt „über Musik, Kino, Fußball alles Dinge, die im Leben der Menschen eine Rolle spielen“. Aber auch das sensibel geschilderte Zwischenmenschliche ist durchaus sein Ding.
Einiges davon findet sich auf dem Album, etwa das ergreifende „From Above“: Hornby skizziert in wenigen prägnanten Songzeilen, wie sich die Lebenswege zweier eigentlich füreinander bestimmter Menschen immer wieder treffen, ohne dass es zum Happy End kommt nur „from above“, also von oben - so der Refrain - sieht die Liebe so einfach aus. Mit „Doc Pomus“ ehrt Hornby einen fast vergessenen Songschreiber der 60er Jahre. Und das launige „Levi Johnston's Blues“ handelt von Sarah Palins tumbem Fast-Schwiegersohn, der nicht merkt, dass er der Familie seiner Freundin im US-Wahlkampf ein Klotz am Bein ist.
Das sind feinsinnige oder kauzige Texte, die Ben Folds mit viel Schwung und Überzeugung singen kann, da er als Songschreiber ganz ähnliche Themen hat. Die Musik dazu ist typischer Folds: einige Klavier-Rocker („Working Day“, „Saskia Hamilton“), hübsche Popsongs und süffige Balladen mit großen Orchester-Arrangements des legendären Paul Buckmaster. Intelligent und unterhaltsam zugleich, das passt zu Ben Folds wie auch zu Nick Hornby. Man merkt „Lonely Avenue“ an, dass sich hier zwei Geistesverwandte gefunden haben.
Das Album «Lonely Avenue» ist auch als Limited Edition mit vier neuen Kurzgeschichten von Nick Hornby erhältlich.
Nick Hornby: 31 Songs. Taschenbuch, 160 S., 6,95 €, Verlag Kiepenheuer & Witsch 2004.
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