Von Andreas Heimann
GÖTTINGEN (BLK) – „Sommerhütchen“ ist ein eher schmales Buch. Sarah Kirsch gibt darin Einblick in ihren Alltag: Das jüngste Werk der Lyrikerin und Büchner-Preisträgerin versammelt Tagebuchnotizen aus genau fünf Monaten, beginnend mit dem 69. Geburtstag der Autorin am 16. April 2004. Fast für jeden Tag finden sich knappe Einträge, manchmal nur wenige Zeilen. Und auch vom Umfang abgesehen macht der Text nicht viel Mühe: Sarah Kirsch schreibt in oft lyrischer, aber nie umständlicher Sprache über ihr Leben in einem Dorf an der Eider in Schleswig-Holstein.
Spektakulär ist das nicht: Da werden die Fenster geputzt, die „Draußentreppe“ muss poliert und die Rosenhecke im Garten ausgedünnt werden. Da wird berichtet, was Katze Emily so treibt und wo sie bevorzugt schläft. Regelmäßig hält Sarah Kirsch fest, was sie im Fernsehen geguckt hat, oft und gerne den „Kommissar“. Hin und wieder scheint die politische Wirklichkeit durch, wenn in den Nachrichten über Folterungen im Irak oder das Geiseldrama von Beslan im Nordkaukasus berichtet wurde. Wer in „Sommerhütchen“ Enthüllungen aus dem Privatleben der Schriftstellerin erwartet, wird enttäuscht.
Auffallend sind ihr Interesse an der Natur und ihre exakt beschriebenen Beobachtungen, egal ob sie den jungen Schwalben vor der Haustür bei ersten Flugversuchen zuschaut, beim Spazierengehen Reiher auf Froschjagd über die Heuwiesen schreiten sieht oder die Goldhähnchen in der Glyzienie vor ihrem Zimmerfenster füttert. Auch sprachlich sind solche Passagen oft herausragend.
Manchmal überrascht aber auch der fast gezwungen originell wirkende Tonfall: „Boah ich friere, muss mir a Jackerl anziehen“, notiert Sarah Kirsch. Statt April schreibt sie „Mandril“, statt Mittwoch „Mistwoch“ und wenn sie spazieren war, heißt es bei ihr „spazoren“. Aber solche Eigenwilligkeiten irritieren nur kurz: „Sommerhütchen“ ist sicher nicht Sarah Kirschs wichtigstes Buch, interessant zu lesen sind ihre Notizen allemal.
Literaturangaben:
KIRSCH, SARAH: Sommerhütchen. Steidl Verlag, Göttingen 2008. 159 S., 18 €.
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