Von Axel Knönagel
Mitten hinein in die Auseinandersetzungen zwischen Jugendgangs unterschiedlicher ethnischer Herkunft führt Felix Hubys neuer Krimi „Null Chance“. Was als Streit zweier Banden um das gleiche Revier beginnt, entwickelt in rasanter Action eine Eigendynamik, die nach einem Mord in einem dramatischen Showdown gipfelt, der an Szenen aus Western-Filmen erinnert.
Als Hauptfigur setzt Huby, Erfinder des Kommissars Bienzle, zum vierten Mal Peter Heiland ein, einen jungen Ermittler, der erst kürzlich von Schwaben nach Berlin gezogen ist und der immer noch dabei ist, seine neue Umgebung kennenzulernen. Dabei wirken die Schilderungen seiner Fahrten durch die Hauptstadt jedoch mitunter wie nach Stadtplan geschrieben. Der Blickwinkel des Außenseiters ist der Romanhandlung allerdings auf besondere Weise angemessen, denn die Entfremdung von der Lebensumwelt liefert den eigentlichen Hintergrund für die Handlungen einiger Romanfiguren.
Dabei lässt Huby allerdings kaum ein Klischee über Jugendliche mit Migrationshintergrund und ihre Familien aus. Es beginnt scheinbar harmlos, als ein junger Kurde im Stadtteil Neukölln zu einem „Original-Gangster“ werden will, einem Bandenführer, der in seiner Nachbarschaft auch von anderen Gangs respektiert wird. Anfangs geht es nur darum, eine schwere Körperverletzung aufzuklären, aber schon bald wird der Hauptverdächtige selbst erschossen, und die Liste der Mordverdächtigen ist lang. Von der rivalisierenden Jugendbande über einen von der Bande misshandelten ehemaligen Fremdenlegionär bis hin zu diversen Familienangehörigen und sogar einem Lehrer kommen zahlreiche Personen als Täter infrage.
Die Polizisten tappen lange Zeit im Dunkeln, und die Leser sind ihnen keinen Schritt voraus. Zusätzliche Spannung erhält die Geschichte, als die Familie des Toten darauf sinnt, die Tat zu rächen. Hier kommt Huby allerdings deutlich an seine Grenzen. Eine zentrale Frage der Ermittler lautet: „Was wissen wir schon über diese Familien?“ Vieles bleibt unbekannt und unverständlich, den Polizisten wie den Lesern.
Huby erzählt den Kriminalfall so, dass die Spannung durchgehend erhalten bleibt. Diese Spannung gleicht weitgehend aus, dass „Null Chance“ vor einem Hintergrund spielt, dem der Roman nur teilweise gerecht wird.
Literaturangabe:
HUBY, FELIX: Null Chance. Scherz Verlag, Frankfurt am Main 2009. 301 S., 14,95 €.
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