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„Nur eine Slowakin!“

Martin Leidenfrost geht in „Die Tote am Fluss“ dem Fall der Denisa Š nach

Von: AXEL BUSSMER - © Die Berliner Literaturkritik, 06.08.09

Martin Leidenfrost wählte in seinem Sachbuch „Die Tote im Fluss – Der ungeklärte Fall der Denisa S.“ einen eher ungewöhnlichen Zugang zu dem titelgebenden Mordfall. Am 19. Januar 2008 lief die 29-jährige slowakische Krankenschwester Denisa Soltisová fast nackt durch die Straßen der oberösterreichischen Bezirksstadt Vöcklabruck. Zehn Tage später wurde ihre Leiche in der Ager bei Regau gefunden. Die Polizei verbuchte den Fall sofort als Selbstmord und legte ihn zu den Akten. Die Leiche wurde in die Slowakei überführt, dort obduziert und im Blut der Toten wurden Wirkstoffe von verschiedenen Medikamenten, die sie nicht nahm, gefunden. Während in Österreich nichts über den Fall geschrieben und nicht ermittelt wurde, war er in der benachbarten Slowakei ein großes Thema.

Der damals in der Slowakei lebende österreichische Journalist Martin Leidenfrost stieß bei der Zeitungslektüre zufällig auf den Fall. Denn Mordfälle interessierten ihn nicht. Aber die Tote kam aus dem 70-Seelen-Dorf Ratkovská Lehota. Das Dorf liegt in der ärmlichen Region Gemer, die mit einer massiven Abwanderung zu kämpfen hat. Bei einer Fahrt durch die Hinterhöfe der Slowakei zu einem Literaturfestival hatte er sich in die Region verliebt.

Er begann zu recherchieren, stieß auf Ungereimtheiten und forcierte mit einem Zeitungsartikel auch weitere Ermittlungen. Dieser Artikel sorgte in Österreich für einiges Aufsehen und brachte ihm auch diesen Buchvertrag. Leidenfrost, der geglaubt hatte, mit dem Artikel sei der Fall für ihn abgeschlossen, recherchierte also notgedrungen weiter. Dabei ist er, wie er in „Die Tote im Fluss“ immer wieder betont, kein Kriminalreporter und auch kein investigativer Journalist. Er ist Kolumnist und die für einen Kriminalreporter nötige Recherche ist nicht sein Metier.

Deshalb stehen in „Die Tote im Fluss“ nicht die Ergebnisse seiner Recherche im Mittelpunkt. Der Fall und die Situation von 24-Stunden-Pflegerinnen (die es auch in Deutschland gibt) werden eher gestreift. Im Mittelpunkt stehen Leidenfrost, wie er zu dem Fall kam, was er bei seinen Recherchen erlebte und seine Zweifel. Er erzählt, wie er sich in die Landschaft, aus der die Tote stammte verliebte; wie er von den Eltern freundlich aufgenommen wurde und später dort Silvester feierte; wie er sich mit den wohlhabenden Arbeitgebern von Denisa Soltisová unterhielt und er zitiert viel zu ausführlich aus den amtlichen Dokumenten. Er verliert auch einige Zeilen über die schwere Arbeit und die quasi rechtlose Situation der Hauspflegerinnen, die für wenig Geld immer verfügbar sein müssen.

Das liest sich nicht uninteressant, aber als Sachbuch über einen Mordfall funktioniert „Die Tote am Fluß“ nicht. Dafür ist Denisa Soltisová zu sehr eine unscharf gezeichnete Nebenfigur. Sie wird zunächst als sehr sympathische, allseits beliebte und tüchtige junge Frau geschildert. Später zeichnet er dann, aufgrund neuerer Interviews und Dokumente, die meist unkommentiert nebeneinander stehen, ein deutlich negativeres Bild. Gleichzeitig gehen ihm die Verdächtigen aus und der Fall wird immer rätselhafter. Während Leidenfrost anfangs noch von einer schlampigen Ermittlung und einem Mord ausging, ist am Ende ein Selbstmord oder ein Unfall nicht mehr vollkommen ausgeschlossen.

Literaturangabe:

LEIDENFROST, MARTIN: Die Tote im Fluss. Der ungeklärte Fall Denisa Š. Residenz Verlag, St. Pölten/Salzburg 2009. 144 S., 14,90 €.

Weblink:

Residenz Verlag

Axel Bussmer arbeitet als freier Autor und Literaturkritiker in Berlin


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