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„Ode an Kahn“

Albert Ostermaier habe mehr über Kahn als über jede Frau geschrieben

© Die Berliner Literaturkritik, 06.11.09

FRANKFURT/MAIN (BLK) - Über die wenigsten Sportler wurden Gedichte geschrieben. Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn (40), der am Samstag (7. 11.) beim Sportpresseball in Frankfurt zur „Legende des Sports“ gekürt wird, ist in Versform verewigt. Der Münchner Lyriker und Dramatiker Albert Ostermaier, Träger des Kleist-Preises 2003, hat fünf Gedichte über ihn verfasst - etwa die „Ode an Kahn“. Sein Buch „Der Torwart ist immer dort, wo es wehtut“ (2006) handelt fast nur von Kahn. Ostermaier ist Torwart der deutschen Autoren-Nationalmannschaft. Im dpa-Interview verrät der 41-Jährige, was ihn an Kahn so fasziniert.

Was macht Oliver Kahn für Sie zur Legende?

Albert Ostermaier: „Für mich macht Oliver Kahn zur Legende, dass er ein Sportler ist, der weit mehr als ein Sportler ist. Er hat einfach dadurch, wie er damals das Torwartspiel neu interpretiert hat und die Persönlichkeit des Torwarts, fast so eine antike Fallhöhe bekommen. Er hat in seiner Persönlichkeit mehrere Tugenden vereint: Er hat zum einen die Konzentration in die Philosophie des Spiels gebracht, er hat die absolute Leidenschaft und das Engagement für dieses Torwartspiel. Und er hat natürlich auch für sich als Persönlichkeit einiges riskiert und hat auch diese tragischen Momente gehabt. Fallhöhe kann man ja nur haben, wenn man Persönlichkeit hat, wenn man etwas zu verlieren hat, wenn man eine gewisse Höhe erreicht hat“.

Was sind für Sie rückblickend die denkwürdigen Kahn-Momente?

Albert Ostermaier: „Natürlich hat man Kahn zuerst immer mit dieser Verbissenheit identifiziert, mit dieser Unbedingtheit, mit seinen Kung-Fu-Attacken gegen andere Spieler. Aber das war nur der spektakuläre Kahn, den man in Augenblicken herausnimmt, die sich medial verarbeiten lassen. Für mich sind die Kahn-Momente eigentlich andere. Kahn ist als Torwart deswegen ein Held, weil er alles hält. Es sind die Reflexe, die völlig unerwartet sind und die so in dieser Form nur wenige Torwarte je hatten. Zu den schwierigen Momenten gehörte natürlich das WM-Finale 2002 [0:2 gegen Brasilien], das sind diese so genannten ­ eines der schlimmsten Worte für einen Torwart ­ ‚Torwartfehler’. Aber man muss es auch so sehen: Kahn hatte bei der WM so eine herausragende Leistung, dass er’s menschlich nie hätte überleben können, dieses Finale auch noch zu gewinnen. Dann hätte man ihn gleich in Japan in Bronze gießen müssen. Das wäre fast unmenschlich gewesen“.

Und was fasziniert Sie noch an Oliver Kahn?

Albert Ostermaier: „Was ich auch sehr bewundere: Er ist ein sehr, sehr reflektierter Mensch, der ein Bewusstsein entwickelt für die Metamorphosen einer solchen Karriere. Wenn sich jemand so lange eigentlich nur als Torwart wahrnimmt, sich mehr als Torwart denn als Mensch wahrnimmt, und so diese ganzen Metamorphosen durchmacht. Es gibt diese ersten Momente, wo er aus diesen selbst gesuchten Mustern ausbrechen will - was da mit seinen ganzen privaten Geschichten war. Der aber dann, nachdem er als Torwart alles erreicht hat, sehr klug drüber nachdenkt ­ und darüber auch geschrieben hat ­ was das bedeutet für einen Menschen, sich so einer Form zu verschreiben und dann zu merken, dass man danach, wenn dieser Rahmen wegfällt, dass man es dann wieder mit Menschlichkeit mit Menschsein und Reflexion füllen muss“.

Sie sind selbst Torwart, was ist das besondere an der Position?

Albert Ostermaier: „Der Torwart ist immer eine ganz existenzialistische Position. Der Torwart ist der Einsame, der immer in einer absolut absurden Situation ist: Er muss natürlich hoffen, dass er kein Tor bekommt, und zugleich hofft er, dass er die Chance hat, sich auszuzeichnen. Das heißt, er sehnt sich die Gefahr herbei, die er eigentlich ableiten möchte“.

Wo würden Sie Oliver Kahn zukünftig am liebsten sehen?

Albert Ostermaier: „Was ich mir natürlich als Autor wünschen würde, dass man ihn weiter als Autor sieht. Vielleicht, dass er sich den Traum erfüllt, auch mal dieses Fußballer-Leben fiktiv schriftstellerisch zu bearbeiten“.

Wie ist ihr persönliches Verhältnis zu Kahn? Er kennt sicher ihre „Ode auf Kahn“?

Albert Ostermaier: „Er kennt natürlich das Gedicht, er hat im Aktuellen Sportstudio’ wunderbar über dieses Gedicht und meine Lyrik gesprochen, was mich sehr, sehr gefreut hat. Ansonsten gibt es natürlich diese etwas besondere Situation, dass ich als Liebes- Lyriker über keine Frau so viel geschrieben hab’ wie über Oliver Kahn als Torwart. Ich würde sehr gern mal mit ihm ein Torwart-Training machen, ich denke, man kann von ihm immer noch viel lernen. Er ist ja jetzt durch seine Bücher auch für die Autoren-Nationalmannschaft qualifiziert. Ich hoffe nur, dass er mir nicht die Torwartposition streitig machen will“. (dpa/ros)


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