BERLIN (BLK) - Die türkischstämmige Autorin Emine Sevgi Özdamar wird mit der Carl-Zuckmayer-Medaille 2010 des Landes Rheinland-Pfalz ausgezeichnet. Im Interview mit dem deutsch-türkischen Dienst der dpa spricht die Autorin über bisherige Ehrungen. Zugleich reagiert sie auf abwertende Kritiken an ihrer literarischen Arbeit.
Was bedeutet es für Sie, einen Preis zu gewinnen?
Özdamar: „Es ist sehr schön, mit einer Auszeichnung geehrt zu werden. Bei der Zuerkennung des Kunstpreises Berlin 2009 hat mich beispielsweise gefreut, dass Kollegen wie Ingo Schulze und Thomas Rosenlöcher daran beteiligt waren. Da ich weiß, dass sie Schriftsteller von Niveau sind, hat es mich umso mehr gefreut, dass sie sich für mich entschieden haben. Dass kompetente Leute meine Sprache mögen und sie zu schätzen wissen, ist wunderschön. Die Carl-Zuckmayer-Medaille zu bekommen, ist ein tolles Gefühl, ich bin wirklich sehr stolz.“
In türkischen Medien werden sie als Autorin beschrieben, „die damit Erfolg hat, türkische Denkweisen ins Deutsche zu übertragen“. Teilen Sie diese Beschreibung?
Özdamar: „Nein, ich finde, das ist eine Unverschämtheit. Das haben einige Germanisten über mich geschrieben, die mich nicht kennen. Vielleicht weil ich nicht einer von ihnen bin. Ich würde mich gern mit ihnen zusammensetzen und meine Bücher Seite für Seite mit ihnen durchgehen. Einer unserer großen Dichter, Can Yücel, hat eine sehr schöne Antwort darauf: ‚Wenn der türkische Zauberkünstler Zati Sungur noch lebte, würde er auch nicht aus einem türkischen Zylinder einen deutschen Hasen zaubern.’ In meinem ersten Roman gibt es die Figur einer Großmutter. Ich lege ihr manchmal türkische Sprichwörter in den Mund. Daran nehmen die Kritiker Anstoß. Can Yücel meinte dazu: ‚Was hättest Du machen sollen? Hätte die türkische Oma ein holländisches Sprichwort benutzen sollen?’“
Wie begegnet man Ihnen in Deutschland?
Özdamar: „Auch in Deutschland haben ein paar beschränkte Germanisten versucht, mich so zu beschreiben. Beispielsweise haben sie, obwohl sie kein Wort Türkisch sprechen, geschrieben, meine Bücher verkauften sich vermutlich deswegen so gut, weil Türkisch eine schöne Sprache sei. Das klingt so, als ob wir Türken nicht in der Lage seien zu schreiben und sich die Bücher nur gut verkauften, weil Türkisch so schön ist. Man unterstellt uns doch, dass es keine fähigen türkischen Schriftsteller gibt. Natürlich muss eine Erzählung über eine Kindheit in der Türkei auch türkische Sprichwörter und türkisches Volkstum enthalten. Das ist ein Teil der Identität. Das wird absichtlich so auf dieses Niveau heruntergebrochen. Dann sollen doch alle auf Türkisch denken und in Deutsch schreiben. Bitte schön...“
Bis jetzt haben Sie über dieses Thema nicht gesprochen. Warum haben Sie bislang dazu geschwiegen?
Özdamar: „Solche Dinge kann man nicht kontrollieren. Wenn ich es versuchen würde, könnte ich meiner Arbeit nicht mehr nachgehen. Dabei würde meine ganze Energie drauf gehen. Menschen mit Intelligenz würden so etwas auch nicht sagen. In der Hoffnung, dass die zukünftige Generation sich ändern und anders denken wird, habe ich aufgehört, mich um solche Meinungen zu scheren. Über mich werden weltweit so viele Doktorarbeiten geschrieben. Alle, die über mich reden und schreiben möchten, können sich diese Arbeiten gerne anschauen.“
Ihr Buch „Das Leben ist eine Karawanserei“ steht auf der Liste der Bücher, „die man lesen sollte, bevor man stirbt“. Was sagen Sie dazu?
Özdamar: „Es stimmt, auf dieser Liste sind auch Orhan Pamuk und Yasar Kemal aus der Türkei. Dazu aus Deutschland Günter Grass, Christa Wolf und ich. Mit Schriftstellern wie Cervantes, Camus, Sartre, Kafka, Marquez und Joyce auf einer Liste zu stehen, ist natürlich ein sehr angenehmes Gefühl.“ (dpa/ros)