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Liebesgedichte von Michael Lentz

Michael Lentz stand bisher für Lautpoesie, sein neuer Band schlägt da einen ganz anderen Ton an

© Die Berliner Literaturkritik, 20.07.11

Von Tobias Roth

Michael Lentz als Lyriker stand bisher vorrangig für Lautpoesie, experimentelle Arbeit an Klang und Schnittstelle, performative Beforschung und Auslotung des Materials. Sein neuer Band „Offene Unruh“ schlägt da einen ganz anderen Ton an.

Zwar ist die konsequente Kleinschreibung als Manier beibehalten und auch die Zeichensetzung ist nicht immer ganz ordnungsgemäß, aber die hundert versammelten Liebesgedichte bilden ganze Sätze und Sinnzusammenhänge, treten einen Schritt von der theoretisierten Speerspitze zurück. Gedichte völlig in den Traditionsreichtum der Liebe zu stellen, gar mit dem trivialisierten Gattungsbegriff „Liebesgedicht“ zu markieren, hat etwas Mutiges.

Liebe als eine Verwirrung und ein Widerstreben der Schrift wird in vielen Facetten und Konstellationen abgeschritten: echte Beunruhigung kommt dabei aber selten ins Spiel, wie es der doppelte Boden des Titels einführt. Die Unruh ist jenes Bauteil einer Uhr, dessen gleichmäßiger Schwung die Ganggenauigkeit des Mechanismus sicherstellt - und ihre Vorhersehbarkeit. Tobias Lehmkuhl hat in diesem Sinne sehr treffend von „ausgesprochen zumutbaren“ Gedichten geschrieben.

Irritierend konventionelle Metaphern und Bildbereiche bevölkern diesen Band, und es wird nicht immer klar, in was für ein Spiel sie eingespannt sind (ein ironisches jedenfalls scheinbar nicht). Auge und Spiegel, Blume und Tod; die Jahreszeiten bedeuten, was sie immer bedeutet haben. Untiefen der Liebeskommunikation stehen da wie stets, wenn auch im zeitgenössischen Gewand telekommunikativ. Eine große Menge von Versen beginnt mit dem definierenden „Liebe ist...“ - aber Lentz füllt in die große Formel kein Wagnis, das ihr antworten würde. Von der Liebe, ihrer Gewalt, ihrem Ausnahmezustand ist viel die Rede, aber die Verse holen das, wovon sie ausdrücklich sprechen, an Kraft nicht ein. Die Unruh schnurrt beruhigt und gekonnt, aber ein Tourbillon (einen Wirbelwind!) hat Lentz in seine Liebesgedichte nicht eingebaut.

Literaturangabe:

Michael Lentz: Offene Unruh. 100 Liebesgedichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010. 167 Seiten, 16,95 €.

Weblink:

S. Fischer Verlag


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