BOCHUM (BLK) — Shakespeares „Othello“ kommt in einer Inszenierung des renommierten Regisseurs Peter Sellars auf die Bühne des Schauspielhauses Bochum. Vom 25. bis 28. Juni gastiert die in Koproduktion mit den Wiener Festwochen entstandene Bühnenarbeit beim Theaterfestival K15 in der Ruhrgebietsstadt. Das intrigante Stück um Verrat, Eifersucht, Liebe und Gewalt, in dem Oscar-Preisträger Philip Seymour Hoffman und Miami-Vice-Star John Ortiz die Hauptrollen Jago und Othello spielen, sei eines der schlechtesten Stücke die Shakespeare geschrieben habe, sagte Sellars am Montag in Bochum.
„So bin ich aufgewachsen: Shakespeare ist großartig, das ,Othello’-Stück ist schlecht.“ Der Grund sei die Schwarz-Weiß-Malerei zwischen „Teufel und Engel“, die — an die Hautfarbe gekoppelt — zudem „beleidigend“ sei, meinte Sellars. Erst die Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin Tony Morrison habe ihn umstimmen können, berichtete der Regisseur. Fünf Stunden habe das Gespräch mit der afroamerikanischen Autorin gedauert, in dem er erkannte, dass die Shakespearsche Sprache und das Weltbild zeitlos seien.
Ehrlichkeit — darum dreht sich Sellars „Othello“-Inszenierung, die der 1957 in Pittsburgh geborene Regisseur als „Reflexion der Realität seiner Generation“ verstanden wissen will. Sein „Othello“, dessen Entstehung in den „historischen Moment“ der Wahl Barack Obamas fiel, hebt die dem Shakespearschen Original zugrundeliegende „Rassenfrage“ auf — auch indem er Othello mit dem Lateinamerikaner Ortiz besetzt.
Das Bild des schwarzen Mannes, der eine weiße Frau tötet, sei überholt, meinte Sellars, für den es in dem Stück um Beziehungen zwischen Menschen im allgemeinen geht. Kernfrage dabei sei: „Können wir wirklich richtig zuhören?“ Es werde viel gesprochen, so der Regisseur, „aber wenig gesagt“. Das „Ungesagte“ aber — auch im „Othello“ — sei der Auslöser für Gewalt. Einen „Bösewicht“ auszumachen — wie den Intriganten Jago — sei bequem, aber nie die ganze Wahrheit, kommentierte Sellars seinen Othello. Der ist — bezogen auf die amerikanische Politik und die Weltpolitik — aktualisiert, aber ohne Veränderung am Original Shakespearschen Text.
„Othello“ wird von einem achtköpfigen Ensemble in mehr als vier Stunden aufgeführt. Kritiken der Premiere bei den Wiener Festwochen monierten, dass Hollywood-Star Seymour passagenweise nicht textsicher sei. Othellos Part sei ein Mega-Part, entschuldigte Sellars Hoffman am Montag in Bochum: „Es ist eine der längsten Rollen überhaupt!“ Außerdem sei das Arbeiten mit ihm ein „Alptraum“, sagte der Regisseur über sich selbst. Der Grund: Seine Regiearbeit sei Prozess, er ändere ständig. (dpa/köh/mül)