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Paul Spiegels liebste Witze erscheinen

Die Lieblingswitze des verstorbenen Zentralrates der Juden in einem Buch

© Die Berliner Literaturkritik, 10.02.09

 

DÜSSELDORF (BLK) – Die deutsche Öffentlichkeit kannte Paul Spiegel wohl vor allem als besorgten Warner vor dreistem Rechtsradikalismus und als einen Mann, dem der schwierige Weg zur „Normalität“ zwischen Juden und Nicht-Juden in Deutschland eine Herzensangelegenheit war. Nur ein engerer Umkreis wusste, dass der langjährige Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland – abseits aller Amtspflichten – auch ein hochkarätiger Witze-Kenner und talentierter Erzähler gewesen ist.

Die Lieblingswitze ihres 2006 gestorbenen Vaters haben die Spiegel-Töchter Dina und Leonie nun als Buch vorgelegt: „Jetzt mal Tacheles“ heißt der Band (Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf, 14,90 Euro), der am 16. Februar in die Buchläden kommen soll. „Er hat es in seinem letzten Lebensjahr so oft erwähnt, dass er ein Witzbuch herausgeben wollte, wenn er nicht mehr Zentralrats-Präsident sein würde“, erzählen die beiden jungen Frauen.

Glücksfall: Erst vor wenigen Monaten tauchte zufällig ein schwarzes Notizbuch auf, in das Spiegel die Stichworte seiner liebsten Witze notiert hatte: „Unsere Mutter half uns, seine Schrift zu entziffern!“ Und dann natürlich die Erinnerung aus erster Hand: „Es kam öfter vor, dass unser Vater eine von uns anrief und fragte: ‚Kennt Ihr den Neuesten schon...’“, schildern die beiden Herausgeberinnen. Bei der Auswahl von hundert Witzen für das Buch seien sie sich „sehr sicher, das sind seine typischen Witze“.

Natürlich hatte der Zentralratspräsident, der bereits zwei Bücher zum Judentum veröffentlicht hatte, bei allem Lachen als Witze-Sammler auch eine seriöse Absicht: Wie kann ein Nicht-Jude unterhaltsamer etwas über das Judentum in Synagoge und Alltag lernen, als durch die fein gesponnenen, hintersinnigen Geschichtchen, deren Pointen stets durch eine Portion Selbstironie gewürzt werden. Da ist etwa die Mutter, immer „klammernd“ besorgt um den abgöttisch geliebten Nachwuchs, eine traditionell beliebte Zielscheibe. „Die jüdischen Familien sind so eng, wohl wegen der ständigen Verfolgung“, vermuten die Spiegel-Töchter.

Auch die Rabbiner kommen nicht ohne Spott davon, staunen über betende Hunde, dürfen als „Verwandtschaft vom Chef“ im Himmel Luxusautos fahren oder müssen klären, ob Sex als Arbeit am Sabbat verboten ist. Und wie lässt sich „Chuzpe“, jene funkelnde und oft rettende, kleine Unverschämtheit besser erklären als im Witz mit der beim Seitensprung ertappten Ehefrau oder in dem über den US-Präsidenten in Brooklyn.

„Dort, wo es am dunkelsten ist, wirkt Lachen am befreiendsten“, beschreibt Filmregisseur Dani Levy („Alles auf Zucker“) im Vorwort den ernsten Hintergrund des jüdischen Humors. Der ist „selbstironisch, leidgeprüft und paradox. Er sieht den Menschen als Problemfall, Gott als überfordert und die Psychiater überteuert“.

Ein „schwieriges Thema“, so Leonie und Dina Spiegel, sei die Frage, ob nicht gerade auch der jüdische Witz – erzählt von Nicht- Juden – wiederum gängige Vorurteile kultiviert. Wenn es nicht aus bitterbösem Spott geschehe, „soll man sich ruhig trauen, jüdischen Humor anzunehmen. Es gibt keinen Grund, dass Nichtjuden nicht auch über einen guten jüdischen Witz lachen dürfen“, meinen die beiden.

Dass der gebürtige Westfale und Wahl-Rheinländer Paul Spiegel eine besondere Nähe zum Humor hatte, wundert Düsseldorfs orthodoxen Rabbiner Julian Soussan überhaupt nicht. Schließlich trug der Zentralrats-Präsident den religiösen Namen Jitzchak ben Chaim und der Vorname bedeute: Der, der lachen wird. Der Rabbi: „Er hat seinem Namen alle Ehre gemacht.“ (dpa/phil)

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